21.07.2017

Rollen-Moleküle für stabilere Akkus

Prinzip des molekularen Motors verlängert Lebensdauer „atmender“ Silizium-Anoden.

Intensiv suchen Akkuforscher nach Wegen, um mehr Strom in Lithium-Ionen-Batterien zu speichern. Eine bis zu sechsfach höhere Kapazität versprechen Anoden aus Silizium anstatt aus dem bisher genutzten Graphit. Allerdings dehnt sich das kristalline Anoden­material bei der Aufnahme von Lithium­ionen bis auf das dreifache Volumen aus und kann den Stromspeicher durch das zyklische Aufblähen und Schrumpfen rasch zerstören. Koreanische Wissenschaftler fanden nun eine Lösung für dieses Problem in Polyrotaxan-Molekülen, die wegen ihrer rollenartigen Struktur­anteile auch für molekulare Motoren genutzt werden.

Abb.: Lithium-Ionen-Akkus mit Siliziumanoden: Polyrotaxan-Moleküle erhöhen die Elastizität und damit die Lebensdauer der Anoden. (Bild: S. Choi et al., KAIST)

„Die Ergänzung von einer mechanischen Bindung mit Polyrotaxenen hält pulverisierte Partikel zusammen“, schreiben Ali Coskun und seine Kollegen vom Institute for NanoCentury am Korea Advanced Institute of Science and Technology in Daejeon. Für erste Prototypen ihrer Lithium-Ionen-Akkus fertigten sie Anoden aus Silizium-Mikropartikeln und verbanden dieses Material mit einem Polymer auf der Basis von Poly­acryl­säure. Zu diesem Polymer fügten sie fünf Gewichts­prozent Polyrotaxane hinzu, mit denen sich über die rutschende Bewegung von molekularen Ringstrukturen die Elastizität des Hydrogel-artigen Anoden­materials deutlich erhöhen konnte.

Beim zyklischen Laden und Entladen des Stromspeichers dehnte sich wie erwartet die Silizium­anode auf das drei- bis vierfache Volumen aus und schrumpfte wieder. Zwischen den Silizium­partikeln entstehende Risse konnten sich dabei über die Bewegung der ring­förmigen Polyrotaxan-Strukturen wiederholt schließen. Die Coulomb-Effizienz des Akkus blieb auch nach 150 Ladezyklen zu mehr als 99 Prozent erhalten. Selbst nach knapp 400 Ladezyklen sank die Kapazität nicht unter 85 Prozent des ursprünglichen Wertes. Mit Mikroskop­aufnahmen bestätigten die Forscher den effizienten zyklischen Heilungs­prozess des Anoden­materials.

Verantwortlich für diese große Stabilität der Silizium­anoden waren die Ringstrukturen, die sich in den Polyrotaxan-Molekülen entlang eines Polymer­strangs frei bewegen konnten. Dabei bauten sich mechanische Bindungen auf, für dessen Entdeckung Jean-Pierre Sauvage, Sir Fraser Stoddart und Bernard Feringa im vergangenen Jahr den Chemie-Nobelpreis erhalten haben. „Die geniale Nutzung der mechanischen Bindungen in Polyrotaxanen von Ali Coskun und Kollegen markiert einen Durchbruch beim Verhalten von Lithium-Ionen-Batterien“, sagt Sir Fraser Stoddart von der Northwestern University.

Bis nun Stromspeicher auf den Markt kommen, die die Reichweite von Elektro­mobilen prinzipiell vervielfachen könnten, wird allerdings noch einige Zeit vergehen. Die bisher konzipierten Akkus mit hoch­elastischen Silizium­anoden müssen zuvor noch weiter optimiert werden, um auch nach tausenden Ladezyklen eine möglichst hohe Speicherkapzität erhalten zu können. Dieses Ziel könnte nun in Zusammenarbeit mit einem kommerziellen Akku­hersteller angepeilt werden.

Doch die koreanische Arbeitsgruppe ist nicht die einzige, die die zerstörerische Ausdehnung von Silizium­anoden in den Griff bekommen möchte. Chinesische Wissenschaftler von der Shangdong-Universität haben vor etwa einem Jahr eine amorphe Form von Silizium entwickelt, die dank ihres porösen Aufbaus bei der Aufnahme von Lithiumionen keine nennenswerte Volumen­vergrößerung zeigte. Ihre Prototypen wiesen im Vergleich zu Akkus mit Graphitanoden eine etwa dreifach erhöhte Ladungs­kapazität auf. Yi Cui und seine Kollegen von der Stanford University griffen zu Silizium­partikeln mit nur wenigen Mikrometern Durchmesser. Diese umhüllten sie einer Kohlenstoffschicht, um die Stabilität zu erhöhen. Ihre Labor­muster wiesen nach 100 Ladezyklen immerhin noch 90 Prozent der ursprünglichen Kapazität auf.

Welche Ansätze zur Stabilisierung von Silizium­anoden in Lithium-Ionen-Akkus sich schließlich in einer kommenden Serienfertigung durchsetzen werden, lässt sich heute noch nicht absehen. Neben einer hohen Zyklen­festigkeit werden die Kosten der noch zu entwickelnden Verfahren für die Massen­produktion eine zentrale Rolle spielen. Doch ist es nicht unwahrscheinlich, dass dieser Typ von Lithium-Ionen-Akkus zu einer drastischen Erhöhung der Speicher­kapazitäten führen wird. Und parallel gilt es zudem, den Wettlauf gegen weitere Akku-Konzepte wie etwa von Lithium-Luft-Batterien für sich zu entscheiden.

Jan Oliver Löfken

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