Rotierende Spiegelbilder
Neue Methode liefert besseres Verständnis von chiralen Molekülen.
Ein internationales Team von Forschenden vom Fritz-Haber-Institut der Max-Planck-Gesellschaft und des Prochorow Instituts für Allgemeine Physik der Russischen Akademie der Wissenschaften hat einen Weg gefunden, wie man chirale Moleküle getrennt voneinander betrachten kann. Da sich chirale Moleküle einander sehr ähneln, ist das eine echte Herausforderung. „Der Trick ist, sie auf eine Art und Weise elektromagnetischer Strahlung auszusetzen, auf die nur eine Händigkeit, also nur ein Enantiomer, anspricht. So können wir gezielt rechts- oder linkshändige Moleküle kontrollieren und lernen mehr über sie,“ sagt Sandra Eibenberger-Arias, Leiterin der Arbeitsgruppe „Kontrollierte Moleküle“ am Fritz-Haber-Institut.
Dies zu lernen ist wichtig, denn Enantiomere haben zum Teil sehr unterschiedliche biologische und chemische Wirksamkeiten, für die Erklärungen gesucht werden. Man nehme zum Beispiel das chirale Molekül Carvon: eine Hand riecht nach Minze, die andere nach Kümmel. Oder das berüchtigte Beruhigungsmittel Contergan, dessen aktiver Wirkstoff das chirale Molekül Thalidomid war: während eine Form den gewollten beruhigenden Effekt hatte, verursachte die andere Geburtsdefekte. Eibenberger-Arias‘ Gruppe setzt bei den physikalischen Eigenschaften an. „Wir gehen theoretisch davon aus, dass es einen kleinen Energieunterschied zwischen den beiden Formen gibt, aufgrund der Paritätsverletzung. Experimentell gezeigt werden konnte das bisher allerdings nicht,“ erklärt JuHyeon Lee vom Fritz-Haber-Institut.
Mit einer geschickten Kombination verschiedener Methoden ist die Gruppe der beteiligten Wissenschaftler jedoch einer Möglichkeit auf der Spur, wie das gelingen könnte. Dazu bestrahlen sie chirale Moleküle im Gaszustand mit UV-Lasern und Mikrowellen. Daraufhin befinden sich rechts- und linkshändige Moleküle in unterschiedlichen Rotationszuständen – in welchen genau, das kann durch Änderung der Mikrowellenstrahlung ausgewählt und eingestellt werden. Die Forschenden haben auf diese Weise so viel Kontrolle wie noch nie zuvor darüber, welche „Hand“ in welchem Rotationszustand ist. Außerdem haben sie erstmalig die experimentellen Ergebnisse mit den genauen Vorhersagen der Theorie verglichen, was zu einem verbesserten Verständnis der zugrundeliegenden Effekte geführt hat.
Auch wenn noch keine komplette Trennung der Enantiomere mit dieser Methode gelingen konnte, so ist es doch bemerkenswert, dass sie überhaupt so erfolgreich kontrolliert werden konnten. Das widerspricht der häufig verwendeten, vereinfachten Darstellung, diese verfügten über gleiche physikalische Eigenschaften. „Wenn das so wäre, könnten wir die Enantiomere nicht mit physikalischen Methoden kontrollieren,“ sagt Sandra Eibenberger-Arias. Das internationale Team aus jeweils drei Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern hat so eine gute Grundlage für Folgeexperimente geschaffen, und vielleicht sogar für den experimentellen Beweis der Paritätsverletzung. Für die Grundlagenforschung wäre das ein Meilenstein – und für alle zukünftigen Anwendungen ebenso.
FHI / JOL