04.05.2022

Rotierende Spiegelbilder

Neue Methode liefert besseres Verständnis von chiralen Molekülen.

Ein inter­nationales Team von Forschenden vom Fritz-Haber-Institut der Max-Planck-Gesellschaft und des Prochorow Instituts für Allgemeine Physik der Russischen Akademie der Wissenschaften hat einen Weg gefunden, wie man chirale Moleküle getrennt voneinander betrachten kann. Da sich chirale Moleküle einander sehr ähneln, ist das eine echte Heraus­forderung. „Der Trick ist, sie auf eine Art und Weise elektro­magnetischer Strahlung auszusetzen, auf die nur eine Händigkeit, also nur ein Enantiomer, anspricht. So können wir gezielt rechts- oder linkshändige Moleküle kontrol­lieren und lernen mehr über sie,“ sagt Sandra Eiben­berger-Arias, Leiterin der Arbeits­gruppe „Kontrol­lierte Moleküle“ am Fritz-Haber-Institut. 

Abb.: Mit einer neuen experimentelle Methode werden die spiegel­bildlichen...
Abb.: Mit einer neuen experimentelle Methode werden die spiegel­bildlichen Formen von chiralen Molekülen besser als zuvor in unter­schiedliche Rotations­zustände gebracht. (Bild: J. Bischoff)

Dies zu lernen ist wichtig, denn Enantio­mere haben zum Teil sehr unterschiedliche biologische und chemische Wirksam­keiten, für die Erklärungen gesucht werden. Man nehme zum Beispiel das chirale Molekül Carvon: eine Hand riecht nach Minze, die andere nach Kümmel. Oder das berüchtigte Beruhigungs­mittel Contergan, dessen aktiver Wirkstoff das chirale Molekül Thalidomid war: während eine Form den gewollten beruhigenden Effekt hatte, verursachte die andere Geburts­defekte. Eiben­berger-Arias‘ Gruppe setzt bei den physikalischen Eigenschaften an. „Wir gehen theoretisch davon aus, dass es einen kleinen Energie­unterschied zwischen den beiden Formen gibt, aufgrund der Paritäts­verletzung. Experimentell gezeigt werden konnte das bisher allerdings nicht,“ erklärt JuHyeon Lee vom Fritz-Haber-Institut.

Mit einer geschickten Kombination verschiedener Methoden ist die Gruppe der beteiligten Wissen­schaftler jedoch einer Möglichkeit auf der Spur, wie das gelingen könnte. Dazu bestrahlen sie chirale Moleküle im Gaszustand mit UV-Lasern und Mikro­wellen. Daraufhin befinden sich rechts- und links­händige Moleküle in unterschiedlichen Rotationszuständen – in welchen genau, das kann durch Änderung der Mikrowellenstrahlung ausgewählt und eingestellt werden. Die Forschenden haben auf diese Weise so viel Kontrolle wie noch nie zuvor darüber, welche „Hand“ in welchem Rotations­zustand ist. Außerdem haben sie erstmalig die experim­entellen Ergebnisse mit den genauen Vorhersagen der Theorie verglichen, was zu einem verbesserten Verständnis der zugrundeliegenden Effekte geführt hat.

Auch wenn noch keine komplette Trennung der Enan­tiomere mit dieser Methode gelingen konnte, so ist es doch bemerkens­wert, dass sie überhaupt so erfolgreich kontrolliert werden konnten. Das widerspricht der häufig verwen­deten, verein­fachten Darstellung, diese verfügten über gleiche physikalische Eigen­schaften. „Wenn das so wäre, könnten wir die Enantiomere nicht mit physikalischen Methoden kontrol­lieren,“ sagt Sandra Eibenberger-Arias. Das internationale Team aus jeweils drei Wissen­schaftlerinnen und Wissen­schaftlern hat so eine gute Grundlage für Folgeexperimente geschaffen, und vielleicht sogar für den experi­mentellen Beweis der Paritäts­verletzung. Für die Grundlagen­forschung wäre das ein Meilenstein – und für alle zukünftigen Anwendungen ebenso.

FHI / JOL

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