30.01.2015

Rotwein zu Wasser

Digitalkameras lassen sich auf Infrarotfotografie umrüsten. Damit erschließt sich eine völlig neue Sichtweise der Welt.

Moderne Digitalkameras, Webcams oder Camcorder besitzen als Bildsensoren Detektoren auf Siliziumbasis, die den photoelektrischen Effekt nutzen. Die verwendeten CMOS- und CCD-Sensoren sind im Wellenlängenbereich bis zu etwa 1100 nm empfindlich und sind damit im Prinzip auch im Bereich des Nahinfraroten (NIR) einsetzbar. Allerdings sieht die Welt im Infraroten sehr fremd aus. Deshalb sorgen Infrarot-Sperrfilter vor den Sensoren dafür, dass die Kameras dem Auge vertraute Bilder erzeugen. Typische IR-Sperrfilter unterdrücken dazu Wellenlängen ab etwa 700 nm sehr effektiv. Eine normale Digitalkamera ist also künstlich „blind“ für NIR-Strahlung gemacht.

Es gibt jedoch die Möglichkeit, diesen Sperrfilter vom Detektorchip zu entfernen. Bei Spiegelreflex- und Systemkameras kann man dies mit technischem Geschick sogar selbst durchführen. Wer sich das nicht zutraut, findet professionelle Umrüstangebote für einige hundert Euro, in Deutschland zum Beispiel bei Makario-Optik in Mönchengladbach oder Baader-Planetarium in Mammendorf. Bei neueren Kameras mit Herstellergarantie erlischt diese allerdings im Allgemeinen durch einen solchen Umbau.

Ohne Sperrfilter sieht der Detektorchip das gesamte Spektrum bis in den NIR-Bereich um 1100 nm hinein. Möchte man ausschließlich NIR-Aufnahmen machen, muss man deshalb durch ein spezielles Filter den sichtbaren Spektralbereich unterdrücken. Auf dem Markt sind diverse Filter zum Aufschrauben vorn auf das Objektiv mit nahezu beliebig wählbaren Kantenwellenlängen erhältlich.

Bastlerinnen und Bastler können auch Webcams als preisgünstige Möglichkeit nutzen. Diese sind so billig, dass man das Entfernen des Filters ausprobieren kann.

Im Marktsegment der Camcorder findet sich bei einigen Modellen die sogenannte Nightshot-Option. Bei wenig Umgebungsstrahlung nutzt die Kamera den gesamten Spektralbereich des Detektors, zum Beispiel durch Wegklappen des Sperrfilters. Optional leuchten solche Camcorder die Umgebung in diesem Modus mit einer im NIR betriebenen Diode aus und nehmen die rückgestreute Strahlung auf.

Die faszinierende Physik der NIR-Fotografie eröffnet sich besonders bei Bildpaaren desselben Motivs, die im Sichtbaren und im NIR aufgenommen sind. Ohne Nachbearbeitung erscheint ein NIR-Foto meist leicht rosa gefärbt, weil die Rot-, Grün-, und Blausensoren des Detektors unterschiedlich empfindlich sind. Es empfiehlt sich daher, die Aufnahmen in Graustufen umzuwandeln.

Abb. Dieses Bildpaar illustriert eindrucksvoll die ungewohnte Welt der Nahinfrarotfotografie. Links die Aufnahme eines Rotweinglases und einer Weinflasche im Sichtbaren, rechts das NIR-Foto, bei dessen Aufnahme das sichtbare Spektrum mit einem Filter auf dem Objektiv ausgeblendet war (Foto: Mangold, Shaw, Vollmer).

Der in der aktuellen Ausgabe von Physik in unserer Zeit erschienene Originalbeitrag enthält weiterführende technische Ratschläge, erläutert die physikalischen Hintergründe und zeigt eine Reihe von Beispielen. So erscheinen Pflanzen weiß, und Haut wird transparent. Sie finden den Artikel hier zum freien Download.

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