Rückenwind für Offshore-Parks?
Auf den Reißbrettern sind die deutsche Nord- und Ostsee längst voller Windparks - doch noch steht keine einzige Windkraftanlage auf hoher See.
Rückenwind für Offshore-Parks?
Hamburg/Emden (dpa) - Auf den Reißbrettern sind die deutsche Nord- und Ostsee längst voller Windparks - doch noch steht keine einzige Windkraftanlage auf hoher See. Bis 2030 soll sich das grundlegend geändert haben: Die Bundesregierung will den Bau von bis zu 30 Offshore-Parks mit hunderten Windrädern vorantreiben. Wie Bundesbauminister Wolfgang Tiefensee (SPD) ankündigte, soll Deutschland damit unabhängiger von teuren Öl- und Gaslieferungen aus dem Ausland werden und dem Atomausstieg ein Stück näher rücken. Doch der straffe Zeitplan wirft Zweifel auf - auch in der Branche selbst. Denn die Technik ist noch nicht ausgereift, Genehmigungen lassen auf sich warten, und Bauteile sind knapp.
Rund 45 Kilometer vor der ostfriesischen Insel Borkum wird noch in diesem Sommer Deutschlands erster Offshore-Windpark entstehen. Zwölf Anlagen soll das mit Steuergeld geförderte Pilotprojekt «alpha ventus» zählen. Die Energieunternehmen E.ON, EWE und Vattenfall planen den Park im Meer als Testfeld, um «grundlegende Erfahrungen mit Bau und Betrieb» zu sammeln. Die Technik steckt noch in den Kinderschuhen.
Jeder Offshore-Park benötigt das Einverständnis des Hamburger Bundesamtes für Seeschifffahrt und Hydrographie (BSH). Wie BSH-Justiziar Christian Dahlke berichtet, sind bisher 21 Projekte genehmigt, davon drei in der Ostsee. Insgesamt handele es sich um rund 1200 einzelne Windkraftanlagen. Mehr als 20 weitere Parks sind außerdem beantragt. Zusätzlich hat das BSH vier Genehmigungen für Kabelanbindungen zum Festland erteilt, denn jeder Park muss ans Netz angeschlossen werden. Nach Dahlkes Angaben hat es einen Boom bei den Anträgen gegeben - erteilte Genehmigungen lassen sich inzwischen prächtig verkaufen. Der Markt verspricht 60 Millionen Euro und mehr.
Bereits in den Startlöchern steht die Bard Engineering GmbH aus Emden. Sie will noch im kommenden Jahr etwa 100 Kilometer vor Borkum den ersten kommerziellen Windpark in der Nordsee errichten. Auf die Genehmigung für die 80 Anlagen hatte Bard drei Jahre warten müssen. Sieben weitere Parks hat das Unternehmen in der Nordsee beantragt. Für sie gibt es noch keine konkreten Pläne. «Wir müssen dann sehen, was die Produktion hergibt», sagt Unternehmenssprecher Andreas Kölling. Denn bei den Spezialanfertigungen der bis zu 70 Tonnen schweren Großlager und Gussteile gebe es bereits jetzt erhebliche Engpässe. Die Firma überlege, die Gussteile selbst herzustellen.
Auch das Windkraft-Unternehmen Energiekontor aus Bremen wird zu den ersten kommerziellen Betreibern eines Offshore-Parks gehören. Ende 2009 sollen 18 Anlagen nordöstlich der Insel Wangerooge laufen, ein Jahr später 80 Anlagen vor Borkum. «Es gibt lange Vorlaufzeiten, der Markt ist völlig überhitzt», sagt Sprecher André Silny.
Weitere Probleme könnte der Netzanschluss machen. So ist beim Park Butendiek, in dem die ersten Maschinen 2012 rund 30 Kilometer vor Sylt montiert werden sollen, noch nicht klar, ob die Stromanbindung über Sylt oder Büsum laufen soll. Die Netzbetreiber sind per Gesetz verpflichtet, Anschlüsse zu schaffen. Die Kosten werden auf alle Stromkunden umgelegt. Mehr als 300 Million Euro sind es allein für einen Teilbereich vor Borkum, für den E.ON zuständig ist. Den Zeitplan musste das Unternehmen jüngst über den Haufen werfen und lässt nun während der Brutzeit im streng geschützten Wattenmeer arbeiten.
Nicht nur deshalb wehren sich Naturschützer gegen die Pläne für die Erzeugung von Windenergie auf dem Meer. Der Wattenrat, ein Verbund aus Naturschützern an der Küste, schreibt: «Bisher hat die Windkraft in Deutschland kein einziges Wärmekraftwerk überflüssig gemacht, im Gegenteil, es müssen neue Kraftwerke zur Netzstabilisierung und neue Hochspannungsleitungen gebaut werden.» Der deutsche Windkraft-Branchenriese Enercon aus Aurich hat derweil längst beschlossen, keinen Cent in Offshore zu stecken. Das ganze Unterfangen dieser jungen Technik berge viel zu viel Risiken - und sei an etlichen Stellen schlicht zu teuer, heißt es bei Enercon.
Heiko Lossie, dpa
Weitere Infos:
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Wissenswertes zur Nutzung der Windenergie im Meer (Offshore):
http://www.offshore-wind.de