09.04.2020

Satelliten-Treibstoff aus der Atmosphäre

Innovatives induktives Plasmatriebwerk auf Helicon-Basis erstmals im Labor gezündet.

Erdbeobachtungs­satelliten für niedrige Flughöhen, kleiner, leichter und billiger als herkömm­liche Modelle: Das sind die Ziele des EU- Projekts „Discoverer“, an dem neun Partner aus Europa und den USA beteiligt sind. Am Institut für Raumfahrt­systeme der Uni Stuttgart wurde nun erstmals ein neuartiges induktives Plasma­triebwerk gezündet, das eines der wesent­lichen Probleme der Mission lösen soll: Es eliminiert den Luft­wider­stand im unteren Orbit und erhöht dadurch die Lebens­dauer der Satelliten. Das System basiert auf Helicon-Wellen und ist mit einer Antenne aus dem medizi­nischen Bereich ausge­stattet.

Abb.: Plasmastrom des induktiven Plasmatriebwerks im Betrieb. (Bild: U...
Abb.: Plasmastrom des induktiven Plasmatriebwerks im Betrieb. (Bild: U Stuttgart)

Satellitenmissionen im „Very Low Earth Orbit“, also in geringen Höhen bis zu vier­hundert Kilometern, ermöglichen neuartige Erdbeob­ach­tungen, wie zum Beispiel die dauerhafte Vermessung es Erdschwere­feldes mit kleinen und preis­günstigen Satelliten. Aller­dings herrscht in diesen Höhen durch die Rest­atmo­sphäre noch ein relativ hoher Luft­wider­stand. Dieser macht einen Satelliten langsamer und langsamer, wodurch ihn die Schwerkraft näher zur Erde ziehen kann, bis er in die Erd­atmo­sphäre eintritt und verglüht. Demnach wäre die Mission, je nach Höhe, schon innerhalb eines Zeitraums von Tagen bis wenigen Monaten beendet.

Um das Lebensdauer-Problem zu lösen und neuartige beziehungs­weise signi­fikant verbesserte Möglich­keiten der Erd­beob­achtung zu eröffnen, entwickelt eine Arbeits­gruppe an der Uni Stuttgart bereits seit 2014 einen „atmo­sphären­atmenden“ elektrischen Raumfahrt­antrieb, der den Luft­wider­stand kompen­siert. Das System nimmt die bremsenden Atmo­sphären­partikel aus der Rest­atmo­sphäre um den Satelliten auf und nutzt diese als Treibstoff. Das hat den Vorteil, dass der Satellit keinen Treib­stoff­tank mit sich führen muss, er versorgt sich aus den Gaspartikeln der Hoch­atmo­sphäre und photo­volta­ischer Elektrizität.

Dabei führt die elektrische Energie den Treibstoff in Plasma über, das beschleunigt wird, um Schub zu generieren. Bisherige Systeme benötigten hierfür Elektroden beziehungs­weise Gitter, die aber empfind­lich auf den aggressiven Sauerstoff reagieren. Andere arbeiten mit einem ebenso empfind­lichen Neutra­li­sator, der verhindert, dass der Satellit sich elektrisch auflädt und die Ionen dadurch wieder zurück­gezogen werden, was den Schub zunichte­machen würde.

Die Forscher der Uni Stuttgart entwickelten jetzt erstmals ein atmo­sphären­atmendes elektrisches Triebwerk, kurz ABEP, das ohne diese Hilfs­mittel auskommt. Das ABEP-System besteht aus einem Massen­kollektor sowie einem Radio­frequenz-Antrieb, dem induktiven Plasma­trieb­werk. Dieses basiert auf Helicon­wellen, also nieder­frequenten elektro­magne­tischen Wellen. Bei diesem fort­schritt­lichen physi­ka­lischen Prinzip wird das Plasma durch eine Antenne gezündet und beschleunigt, um Schub zu generieren. Das neue Triebwerk nutzt dabei erstmals eine zylin­drische Birdcage-Antenne, die ihren Ursprung in der Magnet­resonanz­tomo­graphie hat. Diese stellt elektro­magne­tische Mechanismen zur Verfügung, die sowohl die Ionen als auch die Elektronen simultan beschleunigen. Dadurch weist die Antenne einen besonders hohen Wirkungs­grad auf, was der Plasmajet in ersten Tests bewiesen hat.

Die Inbetriebnahme des induktiven Plasma­trieb­werks ist ein Durchbruch, der gleich mehrere Vorteile mit sich bringt: Das Triebwerk kann mit variablen Treibstoff-Massen­strömen und -Komposi­tionen umgehen und wird damit dem Umstand gerecht, dass in der Atmo­sphäre keine einheit­lichen Bedingungen herrschen. Zudem kann es auch mit dem aggressivem Treibstoff der Thermo­sphäre, zum Beispiel mit atomarem Sauerstoff, problemlos betrieben werden. Ionen und Elektronen werden gemeinsam mit hoher Geschwin­dig­keit zur Schub-Generierung beschleunigt – ein Neutra­lisator ist daher nicht erforderlich.

U. Stuttgart / RK

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