Saturn lässt Eisfontänen tanzen
Die Gezeitenkräfte des Gasriesen führen zu periodischen Fontänen auf dem zweiten Saturnmond Enceladus.
Bereits seit einigen Jahren ist bekannt, dass riesige Fontänen aus Wasserdampf und Eispartikeln dem Südpol des Saturnmondes Enceladus entspringen. Da die Schwerkraft des rund 500 Kilometer durchmessenden und zweitinnersten Mondes gering ist, zieht er deshalb einen Schweif hinter sich, der den äußersten Ring um Saturn bildet. Dieser heißt E-Ring oder auch Enceladus-Ring. Schon lange vermuteten Astronomen, dass Gezeitenkräfte des nahen Saturn die Energie für die kryovulkanischen Aktivitäten auf Enceladus liefern. Beobachtungen mit der Raumsonde Cassini, die mehrere nahe Vorbeiflüge am Mond durchgeführt hat, belegen diese Hypothese nun eindrucksvoll.
Abb.: Dieses Falschfarben-Bild des Saturnmondes Enceladus ist aus 21 engwinkligen Aufnahmen der Raumsonde Cassini zusammengesetzt. (Bild: NASA)
Die NASA-Sonde Cassini war 1997 gemeinsam mit dem ESA-Lander Huygens von Cape Canaveral gestartet und hat 2004 Saturn erreicht. Während Huygens 2005 auf Titan landete und für über eine Stunde Daten sandte, ist Cassini immer noch aktiv und untersucht den Gasriesen mitsamt seinem Ringsystem und den 62 Monden. Ein spezielles Interesse gilt dabei Enceladus – insbesondere seit Cassini beim Flug durch dessen Gasschweif nicht nur Wasserdampf und Kohlendioxid, sondern auch unerwartet hohe Konzentrationen an organischem Material nachweisen konnte. Astronomen rechnen deshalb damit, dass Enceladus unter seiner minus 200 Grad Celsius kalten Oberfläche aus Eis einen salzhaltigen unterirdischen Ozean beherbergt, der prinzipiell lebenstaugliche Bedingungen besitzen könnte.
Cassini hat inzwischen zwanzig Vorbeiflügen an Enceladus absolviert und dabei auch einen Rekord aufgestellt. Am 12. März 2008 passierte die Raumsonde den Mond in einer Distanz von nur 23 Kilometern, was bis heute nicht unterboten ist. Wie auf Cassinis Aufnahmen zu sehen ist, ziehen sich geometrisch bemerkenswert gleichförmige Strukturen über dessen Oberfläche. Am Südpol besitzt der Mond sogenannte Tigerstreifen, die 135 Kilometer lang sind und 35 Kilometer auseinander liegen. Sie entstehen wahrscheinlich durch die Gezeitenkräfte des Saturn.
Die Bahn von Enceladus ist nicht ganz kreisförmig, sondern leicht exzentrisch. Dies liegt am Einfluss durch den schwereren Nachbarmond Dione, der Enceladus eine leicht elliptische Bahn verpasst. Aufgrund dieser Exzentrizität knetet Saturn den Mond, der eine Umlaufzeit von nur etwas über einem Tag besitzt, im Tagesrhythmus durch, wodurch sich dessen felsiges Innere erwärmt. An einigen Stellen führt dies zum Aufschmelzen der Eiskruste. Gingen Forscher früher noch davon aus, dass überall unter dem Eispanzer ein Ozean schwappt, sieht das Bild heute anders aus: „Die Saturnforschung geht heute davon aus, dass sich am Südpol von Enceladus nur ein regionaler Ozean befindet“, berichtet Erstautor Matthew Hedman von der Universität Cornell.
Abb.: Kryovulkanische Aktivitäten auf Enceladus; die Eisfontänen entspringen den „Tigerstreifen“ am Südpol des Eismondes. (Bild: NASA)
Dieser Ozean bricht an einigen Stellen, vor allem an den Tigerstreifen, wie ein Geysir durch die Eiskruste. Die Fontänen schießen dabei je nach Anfangsgeschwindigkeit bis zu 450 Kilometer hoch in die dünne Atmosphäre, was beinahe dem Durchmesser des Saturnmondes entspricht. Die Forscher untersuchten 252 Aufnahme von Enceladus, die Cassini mit dem Visual and Infrared Mapping Spectrometer zwischen 2005 und 2012 gemacht hatte, und verglichen die unterschiedlichen Helligkeiten und Ausströmgeschwindigkeiten der Fontänen. Dabei mussten sie berücksichtigen, dass die Eispartikel je nach Hintergrundbeleuchtung und Beobachtungswinkel sehr unterschiedliche Helligkeiten besitzen.
Die Forscher konnten nachweisen, dass die Fontänen am Saturn-fernsten Punkt rund viermal stärker waren als am Saturn-nächsten. Außerdem maßen die Astronomen leichte Variationen in der Austrittsgeschwindigkeit von rund 200 Metern pro Sekunde, die aber sehr viel schwächer waren als die Helligkeitsveränderungen. Die Ursache für die Variationen liegen nach Ansicht der Forscher darin, dass die Tigerstreifen sich im Tagesrhythmus ausdehnen und wieder zusammen ziehen. Am fernsten Punkt geraten die Eisklüfte dabei unter Zug, während sie am nächsten Punkt zusammengedrückt werden. Wenn die Gezeitenkräfte sie auseinanderziehen, öffnen sich die Klüfte weiter, was den steigenden Teilchenstrom erklärt.
Die Fontänen sind sogar stark und hell genug, dass Cassini sie nicht nur bei Vorbeiflügen, sondern auch noch aus größerer Entfernung beobachten kann. Die Mikrometer-großen Eispartikel reflektieren Sonnenlicht so gut, dass der von ihnen überzogene Enceladus 99 Prozent des Sonnenlichtes wieder zurück ins All wirft. Damit ist seine Reflektivität höher als die von frisch gefallenem Schnee und die höchste eines Himmelskörpers im gesamten Sonnensystem.
Dirk Eidemüller
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PH