14.01.2022 • Sonnensystemforschung

Sauerstoff-Ionen in Jupiters innersten Strahlungsgürteln

Forscher stoßen in Galileo-Archivdaten auf bislang unbekannte Ionen-Quelle.

Fast zwanzig Jahre nach dem Ende der NASA-Mission Galileo zum Planeten Jupiter haben Wissenschaftler unter Leitung des MPI für Sonnen­system­forschung in Göttingen den umfangreichen Datensätzen der Mission ein neues Geheimnis entlockt. Das Forscherteam konnte erstmals zweifelsfrei bestimmen, dass es sich bei den hoch­energetischen Ionen, die den Gasriesen als Teil seiner inneren Strahlungs­gürtel umgeben, in erster Linie um Sauerstoff- und Schwefel-Ionen handelt. Sie dürften ihren Ursprung in Vulkan­ausbrüchen auf dem Jupitermond Io haben. In der Nähe der Umlaufbahn des weiter innen kreisenden Mondes Amalthea entdeckte das Team zudem eine unerwartete hohe Konzentration hoch­energetischer Sauerstoff-Ionen, die sich nicht durch Ios vulkanische Aktivität erklären lässt. Hier muss eine bisher unbekannte Ionenquelle am Werk sein.

Abb.: Ein Blick auf die inneren Strah­lung­gürtel des Jupiters. (Bild: MPS)
Abb.: Ein Blick auf die inneren Strah­lung­gürtel des Jupiters. (Bild: MPS)

Wie das Magnetfeld des Jupiters reichen auch seine Strahlungsgürtel mehrere Millionen Kilometer weit ins All. Allerdings ist die Region innerhalb der Umlaufbahn des Mondes Europa Schauplatz der höchsten Teilchen­dichten und -geschwindig­keiten. Mit den Raumsonden Pioneer 11 Mitte der 1970er Jahre, Galileo von 1995 bis 2003 und derzeit Juno haben sich bisher drei Weltraum­missionen in diesen innersten Bereich der Strahlungsgürtel vorgewagt und vor Ort Messungen durchgeführt. „Leider lässt sich aus den Messdaten von Pioneer 11 und Juno nicht zweifelsfrei schließen, welche Art von Ionen die Raumsonden dort angetroffen haben“, beschreibt Elias Roussos vom MPS den Forschungsstand. „Auch ihre Energien und ihr Ursprung waren deshalb bisher unklar.“

Im Jahr 1995 erreichte Galileo das Jupiter­system. Ausgerüstet mit den Instrumenten Heavy Ion Counter und Energetic Particle Detector lieferte die Mission in den folgenden acht Jahren grund­legende Erkenntnisse zur Verteilung und Dynamik der geladenen Teilchen in der Umgebung des Gasriesen. Um die Raumsonde zu schützen, durchflog sie jedoch zunächst nur die äußeren, weniger extremen Regionen der Strahlungs­gürtel. Erst 2003, kurz vor Ende der Mission, als ein größeres Risiko einzugehen vertretbar war, drang Galileo in den inneren Bereich vor und erreichte die Umlaufbahnen der inneren Monde Amalthea und Thebe.

„Eigentlich war damit zu rechnen, dass die Messdaten von HIC und EPD aus dem inneren Bereich des Strahlungs­rings wegen der hohen Strahlen­belastung kaum brauchbar sein würden. Schließlich wurde keines der beiden Instrumente speziell für den Einsatz in einer derart rauen Umgebung entwickelt“, so Roussos. Als Mitglied der NASA-Mission Cassini hatte er zwei Jahre zuvor die letzten, ähnlich gewagten Flugmanöver von Cassini am Saturn miterlebt und die einzig­artigen Daten aus dieser letzten Missionsphase ausgewertet. „Der Gedanke an die längst abgeschlossene Mission Galileo lag da nahe“, erinnert sich Roussos. Zu seiner eigenen Überraschung fanden sich zwischen vielen unbrauchbaren Messungen auch einige, die sich mit viel Mühe auswerten ließen.

Mit Hilfe dieses wissen­schaft­lichen Schatzes konnten Roussos und seine Kollegen jetzt erstmals die Art der Ionen innerhalb der inneren Strahlungs­gürtel bestimmen sowie ihre Geschwindig­keiten und räumliche Verteilung. Anders als in den Strahlungs­gürteln von Erde und Saturn, in denen vor allem Protonen vorkommen, finden sich in der Region innerhalb der Umlaufbahn des Jupitermonds Io auch große Mengen der deutlich schwereren Sauerstoff- und Schwefel-Ionen, wobei von beiden die Sauerstoff-Ionen überwiegen. „Die Energie­verteilung der schweren Ionen außerhalb der Umlaufbahn von Amalthea deutet daraufhin, dass sie größtenteils von weiter außen eingetragen werden“, so Roussos. Als Quellen kommen vor allem der Mond Io selbst in Frage, dessen mehr als vierhundert aktive Vulkane immer wieder große Mengen an Schwefel und Schwefel­dioxid ins All schleudern, und in geringerem Maße der Mond Europa.

Weiter innen, innerhalb der Umlaufbahn von Amalthea, ändert sich die Ionen-Zusammen­setzung dramatisch zu Gunsten von Sauerstoff. „Die Konzentration und die Energie der Sauerstoff-Ionen ist dort deutlich höher als erwartet“, so Roussos. Dabei müsste die Ionen-Konzentration in diesem Bereich eigentlich abnehmen. Denn die Monde Amalthea und Thebe absorbieren von außen eindringende Ionen; ihre Umlaufbahnen bilden somit eine Art natürliche Ionen-Barriere. Dieses Phänomen ist aus den Strahlungs­gürteln des Saturnsystems mit seinen vielen Monden bekannt.

Einzige Erklärung für die erhöhte Konzentration an Sauerstoff-Ionen ist deshalb eine andere, lokale Quelle im innersten Bereich der Strahlungs­gürtel. So könnten etwa Zusammenstöße von Schwefel-Ionen mit den feinen Staubteilchen der Jupiterringe Sauerstoff freisetzen. Die im Vergleich zum Saturn deutlich unschein­bareren Ringe reichen in etwa bis zur Umlaufbahn von Thebe hinaus. Simulationen der Forscher zeigen, dass dieser Prozess den Sauerstoff-Ionen-Fund erklären könnte. Ebenfalls denkbar wäre, dass nieder­frequente elektro­magnetische Wellen in der Umgebung der innersten Strahlungs­gürtel Sauerstoff-Ionen auf die beobachteten Energien aufheizen könnten.

„Aktuell lässt sich nicht zugunsten einer von beiden möglichen Quellen unter­scheiden“, so Roussos. Beide möglichen Mechanismen weisen jedoch Parallelen zur Erzeugung hoch­energetischer Teilchen in stellaren oder extra­solaren Umgebungen auf. Roussos hofft, dass diese Tatsache die künftige Erforschung durch eine speziell dafür vorgesehene Weltraum­mission rechtfertigt.

MPS / RK

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