Schärferer Blick durch die Atmosphäre
Teleskop mit adaptiver Optik kompensiert störenden Einfluss der Erdatmosphäre.
Nach mehr als einem Jahrzehnt der Planung, Konstruktion und Erprobung hat die Adaptive Optics Facility (AOF) mit dem Instrument MUSE erstes Licht gesehen und verblüffend scharfe Bilder von planetarischen Nebeln und Galaxien aufgenommen. Das Hauptteleskop 4 (Yepun) am Very Large Telescope (VLT) der ESO ist dadurch nun ein vollständig adaptives Teleskop. Durch die Kopplung der AOF mit MUSE wird es zu einem der fortschrittlichsten und leistungsstärksten Systeme, die je für die bodengebundene Astronomie gebaut wurden.
Abb.: Adaptive Optik: Mit Laserstrahlen werden künstliche Sterne in 90 Kilometern Höhe an die gewünschte Stelle des Himmels projiziert. (Bild: R. Bacon, ESO)
Die Adaptive Optics Facility ist ein Langzeitprojekt am Very Large Telescope, um ein System Adaptiver Optik für die Instrumente am Hauptteleskop 4 zur Verfügung zu stellen, zu denen auch MUSE (Multi Unit Spectroscopic Explorer) gehört. Da durch den Einfluss der Erdatmosphäre Bilder verschwimmen, soll Adaptive Optik diese störenden Effekte kompensieren, so dass MUSE viel schärfere Aufnahmen machen kann. Da der Kontrast doppelt so hoch wie ohne diese Technik ist, kann MUSE nun noch lichtschwächere Objekte im Universum beobachten. „Selbst wenn die Wetterbedingungen nicht perfekt sind, können Astronomen nun dank der AOF eine hervorragende Bildqualität erreichen“, erklärt Harald Kuntschner, AOF-Projektwissenschaftler bei der ESO.
Nachdem das neue System auf Herz und Nieren geprüft wurde, wurde das Team aus Astronomen und Ingenieuren mit einer Reihe eindrucksvoller Bilder belohnt. Den Forschern gelang beispielsweise die Beobachtung der planetarischen Nebel IC 4406 im Sternbild Wolf, sowie NGC 6369 im Sternbild Schlangenträger. Die MUSE-Beobachtungen mit der AOF brachten tiefgreifende Verbesserungen in der Schärfe der Aufnahmen und enthüllten nie zuvor beobachtete Schalenstrukturen in IC 4406.
Die AOF, die diese Beobachtungen ermöglicht hat, setzt sich aus vielen Teilen zusammen. Dazu gehören die Four Laser Guide Star Facility (4LGSF) und der sehr dünne verformbare Sekundärspiegel des UT4. Die 4LGSF leuchtet mit vier 22-Watt-Laserstrahlen in den Himmel, um in der oberen Atmosphäre Natriumatome zum Leuchten zu bringen, wodurch am Himmel Lichtpunkte entstehen, die Sterne imitieren sollen. Sensoren im Adaptive-Optik-Modul GALACSI (Ground Atmospheric Layer Adaptive Corrector for Spectroscopic Imaging) verwenden diese künstlichen Laserleitsterne, um die atmosphärischen Bedingungen zu bestimmen.
Tausendmal pro Sekunde berechnet das AOF-System die notwendige Korrektur, um die Form des Sekundärspiegels des Teleskops anzupassen und so die atmosphärischen Störungen auszugleichen. Vor allem bis zu einer Höhe von einem Kilometer über dem Teleskop gleicht GALACSI die Turbulenz in der Atmosphärenschicht aus. Abhängig von den Bedingungen kann die atmosphärische Turbulenz mit der Höhe variieren, aber Untersuchungen haben gezeigt, dass die meisten atmosphärischen Störungen in dieser „Grundschicht“ der Atmosphäre auftreten. „Das AOF-System bewirkt im Prinzip einen ähnlichen Effekt, wie wenn wir das VLT um etwa 900 Meter anheben würden, über die turbulentesten Schichten in der Atmosphäre“, erklärt Robin Asenault, AOF-Projektleiter. „Wenn wir in der Vergangenheit schärfere Aufnahmen gewollt hätten, hätten wir einen besseren Ort finden oder ein Weltraumteleskop benutzen müssen – mit der AOF können wir jetzt einfach dort wo wir sind die Bedingungen deutlich verbessern, und das zu einem Bruchteil der Kosten.“
Abb.: Die neue adaptive Optik ermöglicht schärfere Bilder wie hier vom Kleinen Geistnebel (NGC 6369) im Sternbild Schlangenträger. (Bild: P. Weilbacher, ESO)
Die von der AOF angewandten Korrekturen verbessern die Bildqualität umgehend und kontinuierlich, indem sie das Licht konzentrieren, um schärfere Bilder zu erzeugen, so dass MUSE feinere Details auflösen und lichtschwächere Sterne erkennen kann als bisher möglich. GALACSI bietet derzeit eine Korrektur über ein weites Sichtfeld, aber das ist nur einer von vielen Schritten, um MUSE mit Adaptiver Optik auszurüsten. Ein zweiter Modus von GALACSI ist in Vorbereitung und wird voraussichtlich Anfang 2018 das erste Licht sehen. Dieser Schmalfeldmodus korrigiert die Turbulenz in jeder Höhe, so dass Beobachtungen kleinerer Gesichtsfelder mit noch höherer Auflösung durchgeführt werden können.
„Vor 16 Jahren, als wir den Bau des revolutionären MUSE-Instruments planten, war unsere Vision, es mit einem anderen sehr fortschrittlichen System zu koppeln, der AOF“, erzählt Roland Bacon, Projektleiter für MUSE. „Das bereits große Entdeckungspotential von MUSE wird nun weiter verbessert.“ Eines der wichtigsten wissenschaftlichen Ziele des Systems ist es, lichtschwache Objekte im fernen Universum mit der bestmöglichen Bildqualität zu beobachten, was Belichtungen von mehreren Stunden erfordern wird. Joël Vernet, MUSE- und GALACSI-Projektwissenschaftler, erläutert hierzu: „Insbesondere sind wir daran interessiert, die kleinsten, lichtschwächsten Galaxien in den größten Entfernungen zu beobachten. Diese Galaxien entstehen gerade erst und sind der Schlüssel zum Verständnis, wie sich Galaxien bilden.“
Darüber hinaus ist MUSE nicht das einzige Instrument, das von der AOF profitieren wird. In naher Zukunft wird ein weiteres System Adaptiver Optik namens GRAAL mit dem bestehenden Infrarot-Instrument HAWK-I in Betrieb gehen und dessen Blick auf das Universum noch schärfer machen. Es soll später von dem leistungsstarken neuen Instrument ERIS abgelöst werden. „Die ESO treibt die Entwicklung dieser Systeme Adaptiver Optiken voran, außerdem ist die AOF auch ein Wegbereiter für das Extremely Large Telescope der ESO“, fügt Arsenault hinzu. „Durch die Arbeit an der AOF haben wir – Wissenschaftler, Ingenieure und ebenso die Industrie – Erfahrungen und Fachkenntnisse von unschätzbarem Wert gewonnen, die wir nun dafür verwenden werden, die Herausforderungen beim Bau des ELT zu meistern.“
ESO / JOL