Schaltbare 3D-Strukturen aus Flüssigkristallen
Kombination mit Elastomeren ermöglicht kontrolliert verformbare Oberflächen und kompakte Stellmotoren.
Piezokristalle, Hydrogele, Gedächtnismetalle – manche Werkstoffe ändern ihre Struktur reversibel unter dem Einfluss von Strom, Licht oder Wärme. Einen weiteren Materialtyp für schaltbare 3D-Strukturen haben nun Wissenschaftler des US Air Force Research Laboratory genauer untersucht. Sie kombinierten herkömmliche Flüssigkristalle mit Elastomeren, die empfindlich auf Wärme reagierten. So erhielten sie ein schaltbares Flüssigkristall-Gummi, das in Zukunft für eine kontrollierbare Strukturierung etwa von Tragflächen, für Roboter oder als winziger Aktuator genutzt werden könnte.
Abb.: 3D-Struktur aus Flüssigkristall-Gummi (unten) hebt eine vielfach schwerere Glasplatte an. (Bild: AFRL)
„Flüssigkristall-Elastomere zeigen eine einzigartig große Verformung unter Wärmezufuhr, die viel größer ist als bei konventionellen Materialien“, sagt Timothy White, der Leiter der Forschergruppe. Um diese Vorteile zu nutzen, verknüpfte er mit seinen Kollegen handelsübliche Flüssigkristalle mit flexiblen Polyaminoester-Molekülen. Diese verteilten die Forscher gleichmäßig auf einer Fläche, die sie zuvor unter Einsatz eines Lasers mit flachen geometrischen Mustern versehen hatten. Entsprechend dieser Muster ordneten sich die Flüssigkristall-Elastomore – kurz LCE für „liquid crystal elastomere“ - zu einem 50 Millionstel Meter dünnen Film an.
Abb.: Mit zunehmender Temperatur formt sich aus einem flachen Film eine komplexe, dreidimensionale Struktur aus Flüssigkristall-Gummi. (Bild: AFRL)
Auf bis zu 175 Grad Celsius aufgeheizt, wölbte sich aus dem dünnen LCE-Film schnell eine kantige, dreidimensionale Struktur auf. Diese war etwa hundertmal dicker als der ursprüngliche Film. Bei dieser Verformung konnten sogar kleine Lasten, die fast 150-mal schwerer waren als der LCE-Film, angehoben werden. Dabei ermittelten die Forscher eine Arbeitskapazität von 2,6 Joule pro Kilogramm. Diese ermöglichte mechanische Bewegungen mit einer vergleichbaren Kraft wie bei Piezoaktuatoren. Wieder auf Raumtemperatur abgekühlt sank die Struktur vollständig in sich zusammen. Diese schaltbare Verformung konnten die Wissenschaftler etwa hundertmal wiederholen, ohne dass Veränderungen an der 3D-Struktur erkennbar waren.
Um verschiedene komplexe 3D-Strukturen aus Flüssigkristall-Gummi zu ermöglichen, variierten die Wissenschaftlich die flachen geometrischen Vorläufer-Muster, an denen sich die LCE-Moleküle ausrichten konnten. „Diese Muster für die Anordnung von Flüssigkristall-Elastomeren gibt uns eine Kontrolle über die räumliche Struktur“, sagt White. So gelang es der Forschergruppe, verwinkelte Origami-Strukturen zu erzeugen.
Mit dieser Eigenschaft könnte diese Materialklasse für schaltbare Verformungen von Flugzeugoberflächen, für Roboter oder wegen der relativ starken Ausdehnungskräfte als kompakte Aktuatoren genutzt werden. Vor einer Anwendung will White noch Flüssigkristall-Elastomere entwickelt, die auch auf andere Stimulatoren wie Licht oder Strompulse statt auf Wärme reagieren. Parallel könnte die Kombination von Flüssigkristallen mit weiteren Polymeren sinnvoll sein, um möglichst widerstandsfähige Strukturen zu erhalten.
Jan Oliver Löfken
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