07.02.2012

Scharfe Live-Bilder aus dem Mäusehirn

In einer bisher unerreichten Auflösung von unter 70 Nanometern haben Forscher um Stefan Hell winzigen Strukturen sichtbar gemacht, über die Nervenzellen miteinander kommunizieren.

Feinste Strukturen des Gehirns aufzudecken, um seine Funktionsweise zu enträtseln – diesem Ziel sind Forscher um Stefan Hell vom MPI für biophysikalische Chemie einen entscheidenden Schritt näher gekommen. Mit der von Hell entwickelten Sted-Mikroskopie ist es ihnen erstmals gelungen, scharfe Live-Bilder aus dem Gehirn einer lebenden Maus aufzunehmen. In einer bisher unerreichten Auflösung von unter 70 Nanometern haben sie die winzigen Strukturen sichtbar gemacht, über die Nervenzellen miteinander kommunizieren. Diese Anwendung der Sted-Mikroskopie eröffnet Neurobiologen und Medizinern neue Wege, grundlegende Vorgänge im Gehirn zu entschlüsseln.

Abb.: Diese Sted-Aufnahme einer Nervenzelle aus der oberen Hirnschicht einer lebenden Maus zeigt in bisher ungekannter Detailtreue die sehr feinen Verästelungen von Nervenzellen, an denen Synapsen sitzen. Im kleinen Bild sieht man das pilzförmige Ende einer solchen Verästelung, an dem die Nervenzelle Informationen von anderen Nervenzellen empfängt. (Bild: MPI-BPC)

Lichtmikroskope liefern dafür nicht die nötige Auflösung. Mit der Stimulated Emission Depletion-Technik konnten die Wissenschaftler um Hell die Leistung um etwa das Zehnfache steigern. Dazu verwenden die Forscher einen einfachen Trick: Sie halten eng benachbarte Details unter Verwendung eines speziellen Lichtstrahls sequenziell dunkel, sodass sie nicht auf einmal, sondern nacheinander aufleuchten und somit unterschieden werden können.

Als Zukunftsmusik galt noch vor einem Jahr, was den Physikern und Biologen um Hell nun gelungen ist: auch höhere lebende Organismen mit Detailschärfe im Nanometerbereich zu untersuchen. Als erste blickten die Göttinger Forscher mit dem Sted-Mikroskop direkt in das Gehirn lebender Mäuse. Ihre Aufnahmen zeigen Nervenzellen aus der oberen Hirnschicht der Nager in bisher unerreichter Detailtreue.

„Mit unserem Sted-Mikroskop sehen wir selbst die sehr feinen Verästelungen von Nervenzellen im Gehirn einer lebenden Maus scharf, an denen die Synapsen sitzen. Bei der hohen Auflösung von 70 Nanometern können wir diese Dornfortsätze mit ihren pilz- oder knopfförmigen Ausstülpungen deutlich erkennen“, erklärt Hell. Es sind die bislang schärfsten Aufnahmen dieser elementaren Kontaktstellen des Gehirnschaltkreises. „Um diese sichtbar zu machen, nehmen wir genetisch veränderte Mäuse, die in ihren Nervenzellen große Mengen eines gelb fluoreszierenden Proteins herstellen. Dieses Protein wandert in alle Verästelungen der Nervenzelle, selbst in kleinste, feinste Strukturen“, erklärt Katrin Willig, Nachwuchsforscherin in der Abteilung Nanobiophotonik. Bilder der Nervenzellen im Abstand von sieben bis acht Minuten offenbarten den Wissenschaftlern Überraschendes: Die Dornfortsätze können sich bewegen und ändern ihre Form. „Die superscharfen Live-Aufnahmen könnten in Zukunft sogar zeigen, wie bestimmte Proteine an den Kontaktstellen verteilt sind“, so Hell. Mit solchen immer detaillierteren Bildern von Strukturen im Gehirn will das Team dazu beitragen, den Aufbau und die Funktion der Synapsen auf molekularer Ebene aufzuklären.

Solche Erkenntnisse könnten auch helfen, Krankheiten besser zu verstehen, die auf einer Fehlfunktion von Synapsen beruhen. Zu diesen sogenannten Synaptopathien zählen beispielsweise Autismus oder Epilepsie. „Durch die Sted-Technik und ihre Anwendung im lebenden Organismus bekommen wir nun zum ersten Mal einen optischen Zugang zur molekularen Skala solcher Krankheiten“, hofft Hell.

MPIBPC / OD

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