16.10.2017

Scharfer Blick auf zarte Proben

Neues Multifunktions-Elektronenmikroskop kann Strukturen in empfindlichen Materialien aufspüren.

Atomgenau hinsehen, kann für einen Materialforscher entscheidend sein – egal ob es um organische Solarzellen, Zement oder optische Schaltkreise geht. Mikroskope, die statt Licht Elektronen nutzen, sind daher das Werkzeug der Wahl – für robuste Materialien. Empfindliche Materialien werden dagegen durch die Beleuchtung mit energiereichen Elektronen geschädigt. Am Karlsruher Institut für Technologie (KIT) hat nun ein Elek­tro­nen­mikroskop den Betrieb aufgenommen, welches auch mit „weichen“ Elektronen eine hohe Auflösung erreicht.

Abb.: Nahaufnahme des neuen Multifunktions-Elektronenmikroskops am KIT (M. Balzer/KIT)

„Das neue Multifunktions-Elektronen­mikroskop ergänzt die vorhandenen Geräte am KIT und öffnet neue Forschungshorizonte“, unterstreicht Professorin Dagmar Gerthsen, Lei­terin des Laboratoriums für Elektronen­mikroskopie (LEM) am KIT. „Das neue Mikro­skop vereint verschiedene Werkzeuge in einem Gerät und erlaubt es damit in wenigen Arbeits­schritten komple­mentäre Informa­tionen über eine Probe zu gewinnen.“

Üblicherweise verbessert man die Auflösung von Elektronen­mikroskopen, indem man die Energie der Elektronen steigert. Dies kann aber dazu führen, dass die Elektronen auch Strukturen in der zu untersuchenden Probe verändern oder zerstören. Das neue Mikro­skop nutzt daher vergleichsweise energiearme Elektronen von rund 30 keV. Es kann sowohl als Raster­elektro­nen­mikro­skop (REM) als auch als Raster­trans­missions­elektro­nen­mikro­skop (STEM) genutzt werden. Es bietet daher die Möglichkeit sowohl die Struktur im Inneren einer Probe wie auch deren Ober­flächen­topographie zu untersuchen. Die nominelle Auflösung des Geräts beträgt rund 0,3 bis 0,6 Nanometer (STEM bzw. REM), was etwa drei bis sechs Atomradien entspricht. Damit lassen sich in Materialien struk­turelle Eigenschaften charakterisieren und mit wichtigen funktionellen Eigenschaften kor­re­lieren, um wesentliche Funktionen zu verbessern oder zu verstehen, etwa die Effizienz von Solarzellen, die chemische Aktivität von Katalysatoren, oder mögliche toxi­ko­logische Auswirkungen von Nanopartikeln in biologischen Zellen.

Abb.: Innere Struktur von Kohlenstoffnanoröhren mit Katalysatorpartikel (links) und Oberflächentopographie (rechts). (Bilder: Cheng Sun/KIT)

Die Möglichkeit, Proben gleichzeitig mit verschiedenen Detektoren zu untersuchen, macht das Mikroskop besonders leistungsstark. „Dadurch erhalten wir neue Freiheitsgrade bei der Untersuchung, die uns weiter bringen als Auflösung alleine“, erklärt Dr. Erich Müller vom LEM am KIT. Es werden unterschiedliche Wechselwirkungen der Elektronen mit der Probe genutzt, die den Experten neue Erkenntnisse bezüglich Oberflächen- und Volu­men­beschaffenheit der Probe liefern. Mittels Röntgenanalyse wird außerdem deren chemische Zusammensetzung bestimmt. Eine spezielle Kamera für die Abbildung der gebeugten transmittierten oder zurückgestreuten Elektronen erlaubt Rückschlüsse über die kristalline Struktur des untersuchten Materials. „Wir können nun in einem Gerät chemische und physikalische Eigenschaften der Proben umfassender bestimmen und gewinnen ein tieferes Verständnis des atomaren Aufbaus.“ Die Wissenschaftler am LEM haben das neue Mikroskop in den letzten Jahren zusammen mit dem Hersteller FEI kon­fi­gu­riert. Es ist das erste ausgelieferte Gerät dieser Art weltweit.

Weitere Forschungsmöglichkeiten eröffnet ein integriertes Fräswerkzeug für die Nanowelt: Ein fokussierter Ionenstrahl, als FIB bezeichnet, kann in der Probe nanometerfeine Grä­ben ziehen und damit „vergrabene“ Schichten unterhalb der Probenoberfläche frei­legen. So lassen sich auch Querschnitte an interessanten Untersuchungsstellen ziel­genau nach Bedarf erstellen. Die Kombination von hochauflösender REM,STEM, sowie FIB und chemischer Analyse in einem Gerät macht das neue Mikroskop zu einer Schlüs­sel­techno­logie in vielen Feldern der Grundlagen- und angewandten Forschung, die es erlaubt, die Auswirkungen von nanoskaligen Strukturen auf Materialeigenschaften zu studieren.

Das Laboratorium für Elektronenmikroskopie des KIT führt eigene For­schung durch, bietet aber auch elektronenmikroskopischen Service für Auftraggeber aus Industrie und For­schung an. Es unterhält eine ganze Flotte von neun Elektronenmikroskopen, die zu ver­schie­denen Fragestellungen optimale Einblicke liefern. Flaggschiff ist ein FEI Titan mit einer Auflösung von bis zu 0,07 Nanometer. Die Forschungsaktivitäten liegen in den Be­rei­chen Fest­körper­physik, Material­forschung, Nano­technologie, Chemie und Biologie. Wei­tere Forschungs­schwerpunkte liegen auf der Methoden­entwicklung für die Elektronen­mikroskopie und Elektronen­optik.

KIT / LK

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