Scheibenwind speist gebündelten Gas-Jet
Studie bestätigt theoretisches Szenario von Gasströmen um schwarze Löcher und Protosterne.
Viele astrophysikalische Objekte, wie supermassereiche schwarze Löcher, Sterne und riesige Gasplaneten, sind während ihrer Entstehung von Akkretionsscheiben umgeben und stoßen Materiestrahlen aus. Diese Jets bestehen aus ionisiertem Gas, das entlang der Rotationsachse der Scheibe gebündelt wird. Die Verbindung zwischen Akkretion und Ausstoß ist für ihre Entstehung entscheidend. Der Prozess der Gasakkumulation führt aufgrund der Drehimpulserhaltung zu sehr hohen Drehgeschwindigkeiten. Jets entziehen diesen Systemen Drehimpuls und sorgen so für eine anhaltende Akkretion auf das zentrale Objekt.
Mit einer neuen Studie haben Astronomen aus Italien und Deutschland zum ersten Mal durch Beobachtungen Gaspakete entlang der Bahn des Gasflusses von der Akkretionsscheibe in den Jet verfolgt. Die rekonstruierten Stromlinien stimmen mit den Vorhersagen eines Prozesses überein, den Wissenschaftler vor vierzig Jahren entwickelt haben: magnetohydrodynamische Scheibenwinde. Die Magnetohydrodynamik beschreibt die Bewegung von ionisiertem Gas, das durch ein Magnetfeld beeinflusst wird. Magnetohydrodynamische Scheibenwinde sind der vermutete Mechanismus, der einen Teil des Akkretionsstroms ablenkt und ihn entlang der Rotationsachse der Scheibe beschleunigt, während er einen doppelpoligen gebündelten Jet bildet.
Die Forscher haben bei dem neu entstehenden, massereichen Sterns IRAS 21078+5211 mit Hilfe der Radiointerferometrie eine Emission von Radiowellen mit einer Frequenz von etwa 22 GHz beobachtet. Diese Emission deutet auf die Existenz von geschocktem Wasserdampf hin, der in Sternentstehungsgebieten als heller natürlicher Maser zu beobachten ist. Wassermaser zeichnen die Gasbewegung nach, so dass das Team unmittelbar zwei Bewegungsmuster beobachten konnte, die für einen magnetohydrodynamischen Scheibenwind typisch sind: spiralförmige Bewegungen in der Nähe der Rotationsachse und ein mitrotierender Strom bei größeren Abständen.
Die Astronomen nutzten das globale VLBI-Array mit 26 Radioteleskopen, die über Europa, Asien und die USA verteilt sind. Diese Stationen haben 24 Stunden lang gleichzeitig die Wassermaseremission in Richtung des entstehenden Sterns beobachtet. So konnten die Wissenschaftler die räumliche Verteilung der Wassermaser in der Nähe des entstehenden Sterns studieren.
„Unsere Arbeit zeigt, dass die Very Long Baseline Interferometrie von Wassermasern in der Nähe von sich bildenden Sternen ein effektives Werkzeug sein kann, um die Physik von Scheibenwinden mit noch nie dagewesenen Details zu untersuchen“, erläutert Luca Moscadelli vom Nationalen Institut für Astrophysik in Florenz. „Wir haben neuartige Beobachtungen der Wassermaseremission durchgeführt, indem wir alle im VLBI-Netzwerk verfügbaren Teleskope einbezogen haben, um die Radiointerferometer der nächsten Generation zu simulieren, die die derzeitigen Empfindlichkeiten um mehr als eine Größenordnung verbessern werden.“
Bisher war der beste empirische Nachweis für magnetohydrodynamische Scheibenwinde die Bestimmung des Geschwindigkeitsgradienten senkrecht zur Jetachse. Diese Methode ist jedoch der neu angewandten Technik unterlegen, da sie nicht zwischen einzelnen Gasbahnen unterscheiden kann. Stattdessen erscheinen alle Bewegungen überlagert. Daher liefert sie nur indirekte Hinweise und ist anfällig für Fehlinterpretationen und systematische Fehler. Die Verfolgung der für einen magnetohydrodynamischen Scheibenwind typischen Stromlinien über die räumlichen Positionen und Geschwindigkeiten von Masern ist ein viel überzeugenderer Beleg.
MPIA / RK
Weitere Infos
- Originalveröffentlichung
L. Moscadelli et al.: Snapshot of a magnetohydrodynamic disk wind traced by water maser observations, Nat. Astron., online 11. August 2022; DOI: 10.1038/s41550-022-01754-4 - Osservatorio Astrofisico di Arcetri, Istituto Nazionale di Astrofisica, Florenz, Italien
- Abt. Planeten- und Sternentstehung, Max-Planck-Institut für Astronomie, Heidelberg