30.10.2017

Schockgepresste hexagonale Diamanten

Erstmals schneller Übergang von Graphit in hexagonale Diamantstrukturen beobachtet.

Hexagonaler Diamant, auch Lonsdaleit genannt, ist die wahrscheinlich seltenste und härteste Kristallisations­form von Kohlenstoff. Normalerweise zeigen Diamanten eine kubische Kristall­struktur, doch unter schockartig wirkenden hohen Drücken kann Graphit in die exotische hexagonale Struktur übergehen. Nun gelang es Physikern von der Washington State University in Pullman erstmals, die Bildung von hexagonalem Diamant mit einem Hochdruck­experiment und mit der Methode der Röntgen­beugung nahezu in Echtzeit zu beobachten.

Abb.: Aus exakt ausgerichteten Graphitschichten in dieser Probe entstehen nach dem Aufprall einen Projektils hexagonale Diamantstrukturen. (Bild: Gupta et al., WSU)

In der Natur wurden hexagonale Diamanten in Meteoriten entdeckt, in denen sie beim Aufprall auf die Erde aus darin enthaltenen Kohlenstoff entstanden sind. Theoretische Modelle gehen bisher davon aus, dass dazu schockartig wirkende Drücke von mindestens 170 Gigapascal nötig waren. Hexagonale Diamanten dienen daher als bevorzugter Indikator, um die Wucht eines Meteoriten­einschlags abschätzen zu können. Yogendra Gupta und seine Kollegen gelang der Phasen­wechsel von Graphit in Lonsdaleit nun aber schon bei etwa 50 Gigapascal. Ihr Ergebnis könnte daher zu einer Neubewertung der bei Meteoriten­einschlägen freigesetzten Energien führen.

„Die Umwandlung in hexagonalen Diamant geschah bei signifikant geringeren Drücken als bisher angenommen“, sagt Gupta. Für diese Erkenntnis nutzte er gemeinsam mit seinen Kollegen ein Schockwellen­experiment, in dem eine exakt ausgerichtete Graphit­probe für kurze Zeit enorm hohen Drücken ausgesetzt wurde. Dazu beschleunigten sie eine dünne Scheibe aus Poly­karbonat und Lithium­fluorid mit einer zweistufigen Gaskanone auf etwa 18.000 Kilometer pro Stunde. Nach dem Aufprall auf die Graphit­probe entstand eine Schockwelle, die sich mit 30.000 Kilometern pro Stunde durch das Kohlenstoff­material ausbreitete.

Um die Dynamik des Phasen­wechsels von Graphit zu hexagonalem Diamant untersuchen zu können, verwendeten Gupta und Kollegen Röntgen­pulse einer Synchrotron­strahlungs­quelle, der Advanced Photon Source Argonne National Laboratory nahe Chicago. Diese nur 100 Pico­sekunden kurzen Pulse lenkten sie während des Schockwellen­experiments unter einem Winkel von 27,6 Grad relativ zur Oberfläche durch die Graphitprobe. Hinter der Probe wurden die von den Kohlenstoff­kristallen gebeugten Röntgenwellen mit einem empfindlichen Detektor mit knapp 90 Mikrometer Pixelgröße wieder aufgefangen.

Die Analyse der Röntgendiffraktions­aufnahmen zeigte ein Muster, das eindeutig auf eine hexagonale Kristall­struktur schließen ließ. Andere Diamantvarianten etwa mit einer kubischen Struktur konnten die Forscher dagegen ausschließen. Dank der Zeitstruktur der Röntgenpulse erkannten die Forscher, dass die Schockwelle einige hundert Nanosekunden auf die Graphit­probe einwirkte. Der Phasenwechsel des Graphits in hexagonalen Diamant vollzog sich bei etwa 50 Gigapascal entlang der c-Achse der geschichteten Graphit­struktur in nur wenigen Nanosekunden nach dem Aufprall.

„Diese Ergebnisse bieten eine exzellente Methode, um theoretische Modelle für die Strukturen von Hochdruck-Kristallen zu überprüfen“, sagt Gupta. So müssten nun auch die bisherigen Annahmen zur Bildung von hexagonalem Diamant angepasst werden, da sie für diese Kristallisation bisher deutlich höhere Drücken von mehr als 170 Gigapascal prognostizierten. Die Resultate haben laut Gupta nicht nur Auswirkungen auf die Analyse von hexagonalen Diamant­strukturen in Meteoriten. Sie könnten auch zur Entwicklung neuer Materialien beitragen.

Jan Oliver Löfken

DE

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