Schrödingers Kiste
Der Streit um den Nachlass des Physik-Nobelpreisträgers ist beigelegt und er erhält UNESCO-Weihen.
Ähnlich wie Schrödingers berühmter Katze erging es auch einem Teil seines Nachlasses: Er befand sich einer großen Kiste und sein Zustand war unbestimmt. Genauer: Es war nicht klar, ob er der Universität Wien gehört oder nicht gehört. Die Österreichische Zentralbibliothek für Physik in Wien verwaltet seit 1963 nämlich den größten geschlossenen Bestand des schriftlichen Nachlasses des Physikers und Nobelpreisträgers. Er umfasst zahlreiche Originalschriften von ihm und seinen Kollegen aus dem Zeitraum von 1905 bis 1960. Damit ist dieser Nachlassteil ein Querschnitt durch das gesamte Schaffen des Physikers von seiner Ausbildung in Wien bis zu seinem letzten Lebensjahr.
Schrödingers Tochter und Alleinerbin Ruth Braunizer hatte allerdings mehrmals Anspruch auf den Nachlass erhoben. Ihr Anwalt sah 2007 „nicht den Funken eines Beweises“ dafür, dass die Uni rechtmäßige Besitzerin sei. Nun ist der Konflikt ruhend, wobei zwischen der Universität Wien und der Familie von Erwin Schrödinger Stillschweigen über die Causa vereinbart wurde.
Am vergangenen Montag wurde der an der Uni aufbewahrte Teil des Schrödinger-Nachlasses zudem in das Weltdokumentenerbe der UNESCO aufgenommen bzw. in das österreichische „National Memory of the World Register“. Bei der Feierstunde war auch Schrödingers Enkelin Verena Tomasik anwesend. Das dokumentierte die Einigung zwischen Erben und Universität, die für das UNESCO-Prädikat wichtig war. Denn neben der Bewahrung und dem nachhaltigen Schutz von Dokumenten aller Art soll das „World of the Memory“-Programm auch den einfache Zugang zu diesem Wissen für möglichst viele Menschen ermöglichen. Der Schrödinger-Nachlass ist daher auch online einsehbar (Link siehe unten).
Einen Schwerpunkt davon bildet die umfangreiche Korrespondenz mit Fachkollegen aus der Physik, Mathematik und auch der Philosophie. Unter den Briefpartnern finden sich Albert Einstein, Max von Laue, Wolfgang Pauli, aber auch Bertrand Russell und Karl Popper. Der Briefwechsel dokumentiert aber nicht nur einen wissenschaftlich hochinteressanten Diskurs zwischen großen Denkern des 20. Jahrhunderts. Schrödinger gibt in seinen Briefe oft auch Auskünfte über private Vorhaben und sein körperliches Befinden, da er mit vielen seiner Kollegen eng befreundet war.
Ebenso bedeutend sind die Manuskripte zu seinen Vorlesungen an der Universität, zu Vorträgen und Publikationen, meist mit naturwissenschaftlichen und philosophischen Inhalten, bisweilen auch zu populärwissenschaftlichen Themen. Besonders hervorzuheben sind dabei die Arbeiten zur Quantenmechanik, für die Schrödinger 1933 den Nobelpreis für Physik erhielt. Die im Nachlass vorhandenen Entwürfe sind wissenschaftsgeschichtlich von größter Relevanz, da sie auch Unveröffentlichtes und Verworfenes enthalten.
Im Hinblick auf die Komplettierung der Bestände wurden in den letzten zehn Jahren auch wiederholt Einzeldokumente und Schriftenkonvolute auf internationalen Auktionen erworben. Zum genannten Nachlass zählt aber auch seine persönliche Sammlung von 159 Sonderdrucken eigener Publikationen aus dem Zeitraum 1910 bis 1961, teilweise mit handschriftlichen Kommentaren. Dazu kommt eine Sammlung von Sonderdrucken zum Thema „Brownsche Bewegung“, das auch Einsteins berühmte Arbeit dazu von 1905 mit dessen handschriftlichen Anmerkungen enthält.
Alexander Pawlak / Österreichische UNESCO-Kommission / Universität Wien
Weitere Infos
- Nachlass Erwin Schrödinger Online (Universität Wien)
- Österreichisches Nationales Memory of the World Register
Weitere Beiträge
- A. Pawlak, Post von Schrödinger (Physik Journal News, 4. Januar 2011)
- Web-Ausstellung über Erwin Schrödinger
- H. Rechenberg, Erwin Schrödinger — zum 100. Geburtstag, Physikalische Blätter 43, 325 (1987)
- E. Schrödinger, Der Grundgedanke der Wellenmechanik, Physikalische Blätter 22, 3 (1966)
- E. Schrödinger, Religion und Naturwissenschaft, Physikalische Blätter 17, 105 (1961)
- Erwin Schrödinger, Do Electrons Think? (BBC 1949)
- Kurzer Videoclip (ohne Ton) von Erwin Schrödinger im Jahr 1933 (Nobelprize.org)
- J. Renn, Schrödingers Weg zur Wellenmechanik (Video)