27.06.2016

Schutz vor Eis und Erosion

Neues Forschungsprojekt soll Erosion von Rotorblättern vorbeugen und Leistungsfähigkeit von Windkraftanlagen sichern.

Regen, Hagel und Frost setzen den Rotorblättern von Windenergie­anlagen (WEA) zu. Das zeigt sich besonders an den Nasen­kanten, den gegen den Wind gerichteten Vorder­kanten der Rotor­blätter. Dort kann es schnell zu Eisansatz kommen, und zudem treten dort gehäuft Erosions­schäden auf. Das alles reduziert die Leistungs­fähigkeit einer WEA erheblich. Aktuell begegnet man dem Problem zumeist mit speziellen Lack­systemen und Beschichtungen. Auf neue Material­kombinationen in der Rotorblatt­fertigung und auf integrierte Enteisungs­systeme setzen das Institut für integrierte Produkt­entwicklung (BIK) der Universität Bremen sowie der Material­spezialist Saertex in einem neuen Forschungs­vorhaben.

Abb.: Schäden an Windenergieanlagen wie hier an der Nasenkante eines Rotorblattes erfordern aufwändige Serviceeinsätze und den Einsatz höhentauglicher Spezialkräfte. (Bild: MB Bladeservice Einbeck)

Das Verbundprojekt „Multifunktionale Hybrid­lösung zum Schutz von Rotor­blättern“ (HyRoS) mit sieben Forschungs- und Entwicklungs­partnern hat ein Gesamt­volumen von rund 2,1 Millionen Euro, wird vom Bundes­ministerium für Wirtschaft und Energie mit 1,2 Millionen Euro gefördert und vom Projekt­träger Jülich (PTJ) betreut.

Ziel von HyRoS ist es, das Erosionsverhalten von Rotor­blättern zu verbessern und Eisansatz zu minimieren oder zu verhindern. So sollen der Verschleiß an den Rotor­blättern und damit die Wartungs­kosten von WEA sinken sowie die Verlässlichkeit des Gesamt­systems steigen. Besonders bei den großen Anlagen wie zum Beispiel Offshore oder an Onshore-Standorten im Gebirge mit künftig noch höheren Blatt­umfangs­geschwindig­keiten kann die Verringerung von Blatt­schädigungen zu Effizienz­steigerungen führen. Außerdem verursachen die Erosionen an Rotor­blättern zusätzliche Turbulenzen, die zu einer Erhöhung der Geräusch­emission führen und gleichzeitig zu aero­dynamischen Leistungs­verlusten. Die Forschungs- und Entwicklungs­arbeit soll also nicht nur zu einem kosten­günstigeren Betrieb von WEA führen, sondern durch eine Verringerung der Geräusch­emission auch die Umwelt entlasten und die Akzeptanz fördern.

Um das zu erreichen, setzen die Projektpartner auf eine neuartige Kombination verschiedener Werkstoffe zu einem sogenannten hybriden Werkstoff­system. Es vereinigt die Vorteile mehrerer Materialien, in diesem Fall die eines technischen Geleges und eines Elastomers. Dies sind Verbunde von Faser­lagen mit einem elastischen Gummi. Hinzu kommt ein System mit einer intelligenten Regelung zur energie­effizienten Beheizung der Rotor­blätter. In dem Projekt wird diese multi­funktionale Hybrid­lösung zum Schutz der Rotor­blätter mit der entsprechenden Material­entwicklung, Fertigungs­technologie und Regelungs­technik konzeptioniert und aufgebaut.

„Mehr als 100 Millionen Schwingungen bewegen die Rotor­blatt­struktur, und an der Blattspitze treten je nach Anlagentyp und Hersteller in Abhängigkeit der Umdrehungs­zahl in der Spitze Umfangs­geschwindig­keiten zwischen 160 und 250 Kilometern pro Stunde auf. Hinzu kommen die Witterungs- und Umwelt­einflüsse. Es wirken also enorme Kräfte. Das stellt sehr hohe Anforderungen an das Material“, sagt Lars Ischtschuk, HyRoS-Projektleiter bei Saertex. Das Unternehmen ist nach eigenen Angaben Weltmarkt­führer in der Herstellung multiaxialer Gelege, wie sie unter anderem für WEA-Rotor­blätter verwendet werden. Seit mehreren Jahren arbeitet das BIK in Forschungs­projekten mit den Gelege- und Material­spezialisten aus dem Münsterland erfolgreich zusammen. Dabei legen die Bremer Wissenschaftler den Fokus auf die Produktions­prozesse.

„Das Aufgabenpaket des BIK umfasst insbesondere die Erforschung und Entwicklung der Applikations­technologie, also der Produktions­prozesse und Vorrichtungen für ein prozess­sicheres Applizieren des multi­funktionalen Rotor­blatt­schutzes im Formwerkzeug. Eine der größeren Herausforderung für uns ist die Integration der Rotorblatt­heiz­systeme“, erklärt BIK-Wissenschaftler Jan-Hendrik Ohlendorf. Dem BIK obliegt außerdem die wissenschaftliche sowie die methodische Durchführung und Begleitung der Analysen und Versuchs­reihen.

In dem Verbundprojekt wird mit dem Blick auf aktuelle und künftige Szenarien eine umfassende Anforderungs­analyse für die zu entwickelnden und zu untersuchenden Technologien, Materialien, Prozesse und Vorrichtungen durchgeführt. Diese Szenarien betrachten sowohl die Prozesse der teil­automatisierten Rotor­blatt­fertigung und die Produktions­prozesse des hybriden Rotor­blatt­schutzes als auch den Betrieb der Rotorblätter.

Neben BIK und Saertex als Projektleiter sind bei HyRoS das Gummiwerk Kraiburg (Waldkraiburg), Kaschier + Laminier (Bad Bentheim), Hermes Systeme (Wildeshausen), das Institut für Verbund­werkstoffe (Kaiserslautern) und WRD, die Forschungs- und Entwicklungs­gesellschaft von Enercon (Aurich) in das Projekt involviert.

U. Bremen / DE

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