07.12.2017

Schwaches Loch

Überraschend schwaches Magnetfeld um schwarzes Loch wirft Fragen zur Jet-Entstehung auf.

Schwarze Löcher sind in jeder Hinsicht für Super­lative bekannt. Nicht nur stellen sie extreme Krümmungen der Raumzeit dar, sie können auch hochener­getische Materie­jets weit ins All hinaus­stoßen. Wie genau diese Prozesse ablaufen, ist bislang noch nicht klar erwiesen. Zwar gibt es eine Reihe theore­tischer Modelle hierzu, doch experimentell lassen sich die physika­lischen Bedingungen am Ursprungs­ort dieser Jets nur schwer nachweisen. Bisherige Messungen deuteten auf starke Magnet­felder in der Korona der Akkretions­scheibe hin, die für die Jets verant­wortlich sein sollten. Mehrere spektrale Modelle lassen vermuten, dass der Ursprung der viele Lichtjahre ins All reichenden Jets in dieser Korona liegen könnte. Ein Ausbruch des schwarzen Loches V404 Cygni gab einem interna­tionalen Astro­nomenteam nun die Gelegenheit, diese These zu prüfen.

Abb.: Illustration eines Binärsystems mit schwarzem Loch. (Bild: M. McAleer / UF News)

V404 Cygni besitzt etwa die neun- bis zehnfache Masse unserer Sonne und befindet sich in etwa 8000 Licht­jahren Entfernung von der Erde in einem Doppelstern­system. Sein Partner ist ein Stern, der etwa dreißig Prozent masseärmer als unsere Sonne ist. Am 15. Juni 2015 notierten Astronomen einen Ausbruch von V404 Cygni, was zu einer umfas­senden Beobachtungs­kampagne führte, bei der unter anderem das Gran Telescopio Canarias mit seinem 10,4-Meter-Spiegel Aufnahmen im nahen Infrarot machte, das William Herschel Tele­scope 4,2-Meter-Spiegel optische Beobach­tungen beisteuerte, das Arcminute Micro­kelvin Imager Large Array den Radio­bereich vermaß und das Satelliten­observatorium NuSTAR die Röntgen­aufnahmen lieferte.

Der Ausbruch dauerte insgesamt zwei Wochen und gab den Forschern somit eine gute Gele­genheit, verschie­dene Phasen detailliert in verschie­denen Wellen­längen-Bereichen zu überprüfen. Dabei zeigte sich ein komplexes Emissions­verhalten im Röntgen­bereich mit wieder­holten hellen Flares, die auch mit Aufleuchten im optischen Bereich korreliert waren. Kurze rote optische Flares mit weniger als einer Sekunde Dauer deuteten auf Synchro­tron-Emissionen im relati­vistischen Jet hin. Außerdem konnten die Forscher Anzeichen von Schock­fronten nachweisen, die sich durch die Jets bewegten.

Von besonderem Interesse für die Forscher waren zwei intensive Flares mit korre­lierter Emission im Nahinfra­rot-Optischen sowie im Röntgen­bereich. Aus der Dynamik der Abkühlung nach diesen energiereichen Prozessen konnten die Forscher sowohl die Größe der emit­tierenden Region als auch die Herkunft der Strahlung ableiten. So gelang es ihnen, ther­mische Prozesse als Ursache dieser Strahlung auszu­schließen. Auch Compton-Streuung kann höchstens einen gewissen Anteil beige­tragen haben, während Synchro­tron-Strahlung die gemessenen Spektren gut erklären konnte. Diese Infor­mation war besonders wertvoll, weil die gut verstandenen Synchro­tron-Strahlungs­prozesse es erlauben, die dort herr­schenden Magnet­felder mit hoher Präzision zu ermitteln.

„Wir konnten Abkühlungs­profile messen, die allein mit Synchro­tron-Prozessen erklärbar sind und die sich in sechs verschie­denen Energie­bändern über fünf Größen­ordnungen an Photonen­energie erstrecken“, sagt Yigit Dallilar von der Univer­sität Florida. Die relativis­tischen Lorentz-Faktoren für die Emission im Radio­bereich lagen dabei zwischen zwei und drei, für den optischen und nahinfra­roten Bereich bei 102 und 103, während sie für die Röntgen­emission bei rund 105 lagen.

Aus den Messungen ergab sich ein magne­tisches Feld in der Korona der Akkretions­scheibe von gerade einmal 461 Gauß, bei einem unge­wöhnlich kleinen Fehler von plus/minus 12 Gauß. Dieser Wert ist 400 mal kleiner als früher bei Messungen an anderen schwarzen Löchern. So hatten Magnet­feld-Bestim­mungen an anderen schwarzen Löchern typischer­weise Werte von einigen 104 Gauß geliefert, ein Kandidat ließ sogar Magnet­felder von 105 bis 107 Gauß erwarten. Ein so schwaches Magnet­feld in der Korona wie das von V404 Cygni stellt nun insbe­sondere die Annahmen zahl­reicher theore­tischer Modelle zur Jetent­stehung bei schwarzen Löchern in Frage. Sowohl das Magnet­feld als auch die räumliche Ausdehnung der Abstrahlungs­region blieben über die Emissions­dauer weitgehend konstant, was auf eine räumlich begrenzte und stabile Region hinweist: Vermut­lich die Korona der Akkretions­scheibe, eine Wolke aus heißen Elektronen, die die Akkretions­scheibe umgibt.

Wie die Forscher betonen, können sie mit ihren Kalku­lationen aber nur einen bestimmten räum­lichen Bereich rund um das schwarze Loch abdecken. Auch die zeit­liche Bestimmung ist begrenzt und erlaubt nur Einblick in die Abkühlungs­dynamik im Anschluss an einen Flare. So lässt sich über die Beschleunigungs­phase der Elektronen keine Aussage gewinnen. Zu anderen Zeiten könnten in der Korona durchaus stärkere Magnet­felder herrschen. Den gängigen Modellen zufolge erwartet man aber auch bei der Abkühlungs­phase eigentlich, dass stärkere Magnet­felder vorliegen. Die neuen Messungen liefern nun ein interes­santes Puzzle­teil zum Verständnis der Umgebung schwarzer Löcher, das künftig mit weiteren Beobach­tungen – insbe­sondere zur Polari­sation und zur zeit­lichen Ent­wicklung bei solchen Ausbrüchen – zu kombinieren sein wird.

Dirk Eidemüller

JOL

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