Schwaches Loch
Überraschend schwaches Magnetfeld um schwarzes Loch wirft Fragen zur Jet-Entstehung auf.
Schwarze Löcher sind in jeder Hinsicht für Superlative bekannt. Nicht nur stellen sie extreme Krümmungen der Raumzeit dar, sie können auch hochenergetische Materiejets weit ins All hinausstoßen. Wie genau diese Prozesse ablaufen, ist bislang noch nicht klar erwiesen. Zwar gibt es eine Reihe theoretischer Modelle hierzu, doch experimentell lassen sich die physikalischen Bedingungen am Ursprungsort dieser Jets nur schwer nachweisen. Bisherige Messungen deuteten auf starke Magnetfelder in der Korona der Akkretionsscheibe hin, die für die Jets verantwortlich sein sollten. Mehrere spektrale Modelle lassen vermuten, dass der Ursprung der viele Lichtjahre ins All reichenden Jets in dieser Korona liegen könnte. Ein Ausbruch des schwarzen Loches V404 Cygni gab einem internationalen Astronomenteam nun die Gelegenheit, diese These zu prüfen.
Abb.: Illustration eines Binärsystems mit schwarzem Loch. (Bild: M. McAleer / UF News)
V404 Cygni besitzt etwa die neun- bis zehnfache Masse unserer Sonne und befindet sich in etwa 8000 Lichtjahren Entfernung von der Erde in einem Doppelsternsystem. Sein Partner ist ein Stern, der etwa dreißig Prozent masseärmer als unsere Sonne ist. Am 15. Juni 2015 notierten Astronomen einen Ausbruch von V404 Cygni, was zu einer umfassenden Beobachtungskampagne führte, bei der unter anderem das Gran Telescopio Canarias mit seinem 10,4-Meter-Spiegel Aufnahmen im nahen Infrarot machte, das William Herschel Telescope 4,2-Meter-Spiegel optische Beobachtungen beisteuerte, das Arcminute Microkelvin Imager Large Array den Radiobereich vermaß und das Satellitenobservatorium NuSTAR die Röntgenaufnahmen lieferte.
Der Ausbruch dauerte insgesamt zwei Wochen und gab den Forschern somit eine gute Gelegenheit, verschiedene Phasen detailliert in verschiedenen Wellenlängen-Bereichen zu überprüfen. Dabei zeigte sich ein komplexes Emissionsverhalten im Röntgenbereich mit wiederholten hellen Flares, die auch mit Aufleuchten im optischen Bereich korreliert waren. Kurze rote optische Flares mit weniger als einer Sekunde Dauer deuteten auf Synchrotron-Emissionen im relativistischen Jet hin. Außerdem konnten die Forscher Anzeichen von Schockfronten nachweisen, die sich durch die Jets bewegten.
Von besonderem Interesse für die Forscher waren zwei intensive Flares mit korrelierter Emission im Nahinfrarot-Optischen sowie im Röntgenbereich. Aus der Dynamik der Abkühlung nach diesen energiereichen Prozessen konnten die Forscher sowohl die Größe der emittierenden Region als auch die Herkunft der Strahlung ableiten. So gelang es ihnen, thermische Prozesse als Ursache dieser Strahlung auszuschließen. Auch Compton-Streuung kann höchstens einen gewissen Anteil beigetragen haben, während Synchrotron-Strahlung die gemessenen Spektren gut erklären konnte. Diese Information war besonders wertvoll, weil die gut verstandenen Synchrotron-Strahlungsprozesse es erlauben, die dort herrschenden Magnetfelder mit hoher Präzision zu ermitteln.
„Wir konnten Abkühlungsprofile messen, die allein mit Synchrotron-Prozessen erklärbar sind und die sich in sechs verschiedenen Energiebändern über fünf Größenordnungen an Photonenenergie erstrecken“, sagt Yigit Dallilar von der Universität Florida. Die relativistischen Lorentz-Faktoren für die Emission im Radiobereich lagen dabei zwischen zwei und drei, für den optischen und nahinfraroten Bereich bei 102 und 103, während sie für die Röntgenemission bei rund 105 lagen.
Aus den Messungen ergab sich ein magnetisches Feld in der Korona der Akkretionsscheibe von gerade einmal 461 Gauß, bei einem ungewöhnlich kleinen Fehler von plus/minus 12 Gauß. Dieser Wert ist 400 mal kleiner als früher bei Messungen an anderen schwarzen Löchern. So hatten Magnetfeld-Bestimmungen an anderen schwarzen Löchern typischerweise Werte von einigen 104 Gauß geliefert, ein Kandidat ließ sogar Magnetfelder von 105 bis 107 Gauß erwarten. Ein so schwaches Magnetfeld in der Korona wie das von V404 Cygni stellt nun insbesondere die Annahmen zahlreicher theoretischer Modelle zur Jetentstehung bei schwarzen Löchern in Frage. Sowohl das Magnetfeld als auch die räumliche Ausdehnung der Abstrahlungsregion blieben über die Emissionsdauer weitgehend konstant, was auf eine räumlich begrenzte und stabile Region hinweist: Vermutlich die Korona der Akkretionsscheibe, eine Wolke aus heißen Elektronen, die die Akkretionsscheibe umgibt.
Wie die Forscher betonen, können sie mit ihren Kalkulationen aber nur einen bestimmten räumlichen Bereich rund um das schwarze Loch abdecken. Auch die zeitliche Bestimmung ist begrenzt und erlaubt nur Einblick in die Abkühlungsdynamik im Anschluss an einen Flare. So lässt sich über die Beschleunigungsphase der Elektronen keine Aussage gewinnen. Zu anderen Zeiten könnten in der Korona durchaus stärkere Magnetfelder herrschen. Den gängigen Modellen zufolge erwartet man aber auch bei der Abkühlungsphase eigentlich, dass stärkere Magnetfelder vorliegen. Die neuen Messungen liefern nun ein interessantes Puzzleteil zum Verständnis der Umgebung schwarzer Löcher, das künftig mit weiteren Beobachtungen – insbesondere zur Polarisation und zur zeitlichen Entwicklung bei solchen Ausbrüchen – zu kombinieren sein wird.
Dirk Eidemüller
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