Schwarzes Loch als Dreckschleuder
Kühler Wind: Staubverteilung in aktiven galaktischen Kernen anders als bislang angenommen.
Das Very Large Telescope Interferometer der ESO (VLTI) hat die bisher detailliertesten Beobachtungen des Staubs um ein riesiges schwarzes Loch im Zentrum der Galaxie NGC 3783 geliefert. Dabei fanden die Astronomen den leuchtenden Staub nicht ausschließlich wie erwartet in einem ringförmigen Torus um das Schwarze Loch, sondern größtenteils über- und unterhalb des Torus. Die Messungen zeigen überraschend einen Wind aus kühlem Staub, der vom schwarzen Loch ausgeht. Das fordert die derzeitigen Theorien heraus und zeigt einen neuen Aspekt, wie supermassereiche schwarze Löcher sich entwickeln und mit ihrer Umgebung wechselwirken.
Abb.: Weitfeldaufnahme der Himmelsregion um die Galaxie NGC 3783. (Bild: ESO)
In den letzten zwanzig Jahren haben Astronomen die Existenz supermassereicher schwarzer Löcher in den Zentren fast aller Galaxien belegt. Einige dieser Massemonster wachsen, indem sie Materie aus ihrer Umgebung einsaugen. Dabei entstehen die energiereichsten Objekte des Universums: aktive Galaxienkerne (Active Galactic Nuclei, kurz AGN). Diese sind von ringförmigen Ansammlungen aus kosmischem Staub umgeben, der aus der Umgebung angezogen wurde. Bislang ist man davon ausgegangen, der Großteil der starken Infrarotstrahlung, die von den AGN kommt, stammaus diesen Staubtori stammt.
Die neuen Beobachtungen von NGC 3783 zeigen nun ein etwas anderes Bild: Obwohl sich der heiße Staub mit Temperaturen von 700 bis 1000 Grad tatsächlich wie erwartet in einem Ring befand, entdeckten die Astronomen auch eine riesige Menge an kühlem Staub über und unter diesem Haupttorus. Dieser bildet einen kühlen Wind aus, der vom Schwarzen Loch nach außen strömt. Der Wind spielt vermutlich eine wichtige Rolle in der komplexen Beziehung zwischen dem Schwarzen Loch und dessen Umgebung. Das kompakte Objekt stillt zwar seinen Appetit mit dem umliegenden Material, gleichzeitig scheint die dadurch verursachte intensive Strahlung das Material aber auch wegzublasen. Es ist nach wie vor unklar, wie diese zwei Mechanismen zusammenspielen, sodass supermassereiche Schwarze Löcher innerhalb von Galaxien wachsen können. Das Vorhandensein eines staubigen Winds trägt jedoch ein weiteres Puzzlestück zu diesem Bild bei.
Abb.: Künstlerische Darstellung der Umgebung des supermassereichen Schwarzen Lochs in NGC 3783 (Bild: ESO, M. Kornmesser)
Um die Zentralregion von NGC 3783 zu untersuchen, benötigten die Astronomen die vereinte Leistung der Hauptteleleskope des Very Large Telescope der ESO. Durch as Zusammenschalten der Einheiten erhielten sie ein Interferometer mit einer Auflösung, die der eines Teleskops mit 130 Metern Spiegeldurchmesser gleicht. „Erst durch die Kombination der erstklassigen Empfindlichkeit der großen Spiegel des VLT mit der Interferometrietechnik können wir genug Licht sammeln, um so lichtschwache Objekte detailliert zu beobachten”, sagt Gerd Weigelt vom Max-Planck-Institut für Radioastronomie in Bonn. Der heiße Staub wurde mit Hilfe des VLTI-Instruments AMBER im nahen Infrarotbereich kartiert. Für die neueren Beobachtungen kam das MIDI-Instrument bei Wellenlängen zwischen 8 und 13 Mikrometern im mittleren Infrarotbereich zum Einsatz.
Die neuen Beobachtungen könnten zu einem Paradigmenwechsel im Verständnis von AGN führen: Sie sind ein direkter Nachweis für die Beschleunigung des Staubs durch die intensive Strahlung. Modelle, die die Staubverteilung und das Wachstum supermassereicher Schwarzer Löcher und deren Entwicklung beschreiben, müssen nun diesen neuentdeckten Effekt berücksichtigen.
ESO / AH