05.07.2012

Schwarzes Loch „gewogen“: es ist mittelgroß!

Die Familie der Massemonster hat wohl Zuwachs bekommen – HLX-1 benimmt sich wie ein Halbstarker.

Schwarze Löcher geben nichts wieder her, was einmal ihren „Ereignishorizont“ durchquert hat. Doch je nach ihrer Entstehungsgeschichte können diese Himmelkörper sehr unterschiedliche Größe haben. Stellare Schwarze Löcher, die sich aus einzelnen Sternen entwickeln, haben etwa 3 bis 20 Sonnenmassen. Hingegen weisen die im Zentrum von Galaxien sitzenden Exemplare Massen auf, die die der Sonne um das Milliardenfache übertreffen können. Sie entstanden vielleicht schon beim Urknall und sind durch Aufnahme von Materie weiter gewachsen.

Abb.: Röntgenbild der Spiralgalaxie ESO 243-49 mit der Position der Quelle HLX-1 (Bild: NASA, CXC / N. A. Webb et al.)

Ob es dazwischen auch mittelgroße Schwarze Löcher mit 100- bis 10.000-facher Sonnenmasse gibt, war lange Zeit unklar. Ein aussichtsreicher Kandidat für ein mittelgroßes Schwarzes Loch ist die extrem helle Röntgenquelle HLX-1 in der 290 Millionen Lichtjahre entfernten Spiralgalaxie ESO 243-49. Ihre Röntgenstrahlung entsteht, weil die Materie, die das Objekt umgibt, von seinem Schwerefeld so stark beschleunigt, bis sie extrem heiß wird und leuchtet. Die Materie stammt vermutlich von einem leichteren Begleiter, der zusammen mit HLX-1 ein Doppelsternsystem bildet.

Vor vier Jahren hatten Forscher um Natalie Webb und Sean Farrell von der Université de Toulouse die Röntgenstrahlung von HLX-1 eingehend untersucht. Ihren Ergebnissen nach steckt hinter dieser Strahlung ein Schwarzes Loch von mindestens 500-facher Sonnenmasse. Eine obere Grenze für die Masse ließ sich damals jedoch nicht angeben. Daher konnten sie auch ein supermassereiches Schwarzes Loch ist, das dann allerdings untypischerweise nicht im Zentrum der Galaxie ESO 243-49 sondern in einem ihrer Spiralarme gesessen hätte.

Jetzt konnte ein internationales Forscherteam um Webb und Farrell die Masse von HLX-1 eingrenzen, in dem es die starken Intensitätsschwankungen dieser Strahlungsquelle analysiert hat. Aufnahmen mit dem Röntgensatelliten Swift hatten gezeigt, dass die Röntgenstrahlung von HLX-1 innerhalb von wenigen Tagen ihre Intensität vorübergehend verzehnfachte und dabei „weicher“, also langwelliger wurde. Bei solchen Ausbrüchen änderten sich die Materieströme in der Nähe des Schwarzen Loches.

Abb.: Das Weltraumteleskop Hubble konnte um HLX-1 (blauer Punkt links von der Bildmitte) junge, blaue Sterne gefunden. Demnach könnte das mittelschwere schwarze Loch (IMBH) der aktivierte Kern einer von ESO 243-49 einverleibten Zwerggalaxie sein. (Bild: NASA / ESA / S. Farrell, U. Sydney, U. Leicester)

Normalerweise führt der enorme Druck der entstehenden Strahlung dazu, dass ein Teil der das Loch umgebenden Materie stetig und mit hoher Geschwindigkeit strahlförmig weggetrieben wird. Solche relativistischen Jets hat man sowohl bei stellaren als auch bei supermassereichen Schwarzen Löchern beobachtet. Doch bisweilen wird Materie mit noch höherer Geschwindigkeit aus der Umgebung des Schwarzen Loches herausgeschleudert, sodass sie die Materie im Jet einholt und mit ihr kollidiert. Dabei ändert sich nicht nur die Röntgenstrahlung, sondern es werden auch eruptionsartig Radiowellen emittiert, deren Intensität dabei mehr als hundertfach anwachsen kann.

Mehrere dieser Radioemissionen, die sich den Röntgeneruptionen von HLX-1 zuordnen ließen, haben die Forscher mit dem Australia Telescope Compact Array (ATCA) aufgefangen und analysiert. Entsprechende Untersuchungen für stellare und supermassereiche Schwarze Löcher hatten ergeben, dass ein eindeutiger Zusammenhang zwischen der Stärke der Radio- und der Röntgenausbrüche eines Schwarzen Loches und seiner Masse besteht. Indem Natalie Webb und ihre Kollegen die Gültigkeit dieses Zusammenhangs auch für mittelschwere Schwarze Löcher voraussetzten, konnten sie die Masse von HLX-1 herleiten: Sie liegt zwischen zehn- und hunderttausend Sonnenmassen.

Wie solch ein mittelgroßes Schwarzes Loch entstehen konnte, ist noch unklar. Möglichweise begann es als stellares Schwarzes Loch in einem dichten Sternhaufen, das dann nach und nach die umgebenden Sterne verschluckt hat. Es könnte aber auch beim Urknall entstanden sein und in einer Zwerggalaxie zu mäßiger Größe herangewachsen sein. Als diese Galaxie dann von der Spiralgalaxie ESO 243-49 eingefangen wurde, gelangte das Schwarze Loch an seinen endgültigen Platz. Wie häufig mittelgroße Schwarze Löcher in Galaxien auftreten, müssen weitere Beobachtungen zeigen.

Rainer Scharf

OD

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