Schwarzes Loch mit Leuchteffekt
Flares von Sagittarius A* erlauben Bestimmung seiner Masse.
Ab und zu sieht man leuchtendes Gas um Sagittarius A*, das schwarze Loch im Zentrum der Milchstraße, herumwirbeln. Nun ist es Astronomen am Max-Planck-Institut für extraterrestrische Physik (MPE) gelungen, aus dieser Bewegung die Masse des schwarzen Lochs zu messen – und sie stimmt perfekt mit der Messung überein, die 2020 mit dem Physik-Nobelpreis geehrt und die seitdem immer weiter verfeinert wurde. Die Schlussfolgerung: Die 4,3 Millionen Sonnenmassen befinden sich innerhalb eines Raums, der in die Venusbahn passen würde. Eine wahrlich abenteuerliche Massenkonzentration!
Im Zentrum unserer Milchstraße befindet sich ein schwarzes Loch mit einer Masse von 4,3 Millionen Sonnenmassen – das haben mehrere Teams in den vergangenen vier Jahrzehnten zweifelsfrei nachgewiesen. Im Jahr 2020 wurde diese Erkenntnis sogar mit dem Nobelpreis für Physik für MPE-Direktor Reinhard Genzel gewürdigt. Seitdem konzentriert sich die Forschung darauf, das galaktische Zentrum als Labor zu nutzen, um die Allgemeine Relativitätstheorie in dem sehr starken Gravitationsfeld in der Nähe dieses schwarzen Lochs zu testen und seine Eigenschaften mit hoher Präzision zu bestimmen.
Das Team am MPE nutzte nun Gravity, das Nahinfrarot-Interferometer am Very Large Telescope Interferometer (VLTI) der ESO, um die Emission in der Region um das schwarze Loch genau zu beobachten und nach extrem hellen Ereignissen zu suchen, den Flares. Solche Flares treten ein- bis zweimal pro Tag auf und leuchten dabei so hell, dass man die Bewegung des umgebenden Gases verfolgen kann. Das Team analysierte Flares, die in den Jahren 2018, 2021 und 2022 beobachtet wurden und für die Gravity gleichzeitig Messungen der Position und der Polarisation lieferte.
Dieser kombinierte Datensatz ermöglichte es dem Team, die Masse des schwarzen Lochs mit hoher Genauigkeit auf 4,297 Millionen Sonnenmassen zu bestimmen, eine starke und unabhängige Bestätigung früherer Messungen. Die neuen Daten zeigen auch, dass diese Masse innerhalb des Radius der Flares von etwa neun Gravitationsradien eingeschlossen sein muss, was kleiner ist als der Umlaufradius des Planeten Venus um die Sonne.
„Die Masse, die wir jetzt aus den Flares bei wenigen Gravitationsradien abgeleitet haben, ist kompatibel mit dem Wert, der aus den Bahnen von Sternen bei mehreren tausend Gravitationsradien gemessen wurde“, führt Diogo Ribeiro aus, der am MPE für die theoretische Modellierung verantwortlich war. „Das spricht für ein einziges schwarzes Loch im Zentrum der Milchstraße.“
Aus der Bewegung dieses kreisenden Gases kann das Team auch Informationen über die Entstehungsgeschichte der Strukturen im galaktischen Zentrum ableiten. Die Ausrichtung der Bahnen der Flares ist ähnlich der Ausrichtung einer stellaren Scheibe, die in einem Abstand von 100.000 Gravitationsradien beobachtet wurde; dies lässt auf einen physikalischen Zusammenhang schließen. „Es ist großartig zu sehen, wie sich das Verhalten der Flares wiederholt und ähnelt“, betont Antonia Drescher, die die polarimetrischen Messungen ausgewertete. „Alle zeigen eine Bewegung im Uhrzeigersinn, alle haben einen ähnlichen Radius und eine ähnliche Umlaufzeit. Das ist wirklich schön zu sehen.“
Starke Winde von den weiter entfernten Sternen treiben wahrscheinlich den Akkretionsstrom des Gases an, der den anfänglichen Drehimpuls auf Skalen in der Nähe des Ereignishorizonts herunterträgt. „Die Menge an Informationen aus der Polarisation war extrem ergiebig und wir lernen aus dem gemeinsamen Datensatz viel über die Physik in der Region des Galaktischen Zentrums“, fügt Ribeiro hinzu. Die Dynamik der Flares könnte sogar Informationen über den Spin des schwarzen Lochs enthalten – eine bis heute offene Frage.
MPE / DE
Weitere Infos
- Originalveröffentlichung
Gravity Coll.: Polarimetry and astrometry of NIR flares as event horizon scale, dynamical probes for the mass of Sgr A*, Astron. Astrophys. 677, L10 (2023); DOI: 10.1051/0004-6361/202347416 - Infrarot-/Submillimeter-Astronomie (R. Genzel), Max-Planck-Institut für extraterrestrische Physik, Garching