19.03.2019

Schweben mit Licht

Metaoberflächen sollen photonische Levitation für große Objekte ermöglichen.

Mit dem Lasersegel in zwanzig Jahren von der Erde nach Alpha Centauri: Solche Sternenreisen sind in der Science-Fiction-Literatur weit verbreitet. Eine Sonde müsste auf relativistische Geschwindigkeiten beschleunigt werden, um das 4,34 Lichtjahren entfernte Doppelsternsystem zu erreichen. So utopisch diese Vision klingen mag, loten die beiden Forscher Ognjen Ilic und Harry Atwater vom California Institute of Technology in Pasadena die theoretischen Grenzen für photonische Antriebe und photonische Levitation aus.

 

Abb.: Photonische Levitation: Auch makroskopische Objekte könnten wie bisher...
Abb.: Photonische Levitation: Auch makroskopische Objekte könnten wie bisher einzelne Zellen mit Lichtstrahlen festgehalten und bewegt werden. (Bild: O. Ilic & H. A. Atwater, Caltech)

Die Grundlage für ihre Überlegungen bildet das Prinzip einer optischen Pinzette. Atome und winzige Partikel lassen sich mit photonisch induzierten Dipolkräften und über den Strahlungsdruck allein mit Lichtstrahlen festhalten und bewegen. Auch lebende Zellen lassen sich mit optischen Pinzetten fixieren und genauer untersuchen. Für diese Arbeit wurde vergangenes Jahr Arthur Ashkin mit dem Physik-Nobelpreis ausgezeichnet. Bisher beschränkt sich die Anwendung von optischen Pinzetten allerdings auf kleine Objekte in der Größenordnung der genutzten Lichtwellenlängen. Ilic und Atwater entwickelten nun eine Idee, um auch makroskopische Objekte mit fokussiertem Licht festhalten und bewegen zu können.

„Es gibt ein großes Interesse, um Strukturen, die weit größer sind als die Wellenlänge des genutzten Lichts, schweben zu lassen, zu manipulieren und anzutreiben“, sagt Atwater. Gemeinsam mit seinem Postdoc Ognjen Ilic schlägt der Physiker vor, größere Objekte mit einer dielektrischen Metaoberfläche aus nanophotonischen Strukturen zu versehen. Mehrere solcher Nanomodule sollen dazu nach einem ausgeklügelten Muster auf der Oberfläche angeordnet werden. Dadurch ergebe sich laut Atwater und Ilic eine richtungsabhängige Wechselwirkung mit den einfallenden Lichtstrahlen. Dank dieser Anisotropie könnte sich das makroskopische Objekt ständig selbsttätig stabilisieren und störenden Auslenkungen aus dem optimalen Lichtfokus entgegenwirken.

Konkret berechneten die Physiker die wirkenden Kräfte an einer 500 Nanometer dünnen und Dutzende Mikrometer großen Fläche aus Siliziumdioxid. Auf dieser Fläche ordneten sie in ihrem Modell zahlreiche knapp zwei Mikrometer kleine Module mit je zwei optischen Resonatoren aus Silizium an. Die beiden Resonatoren unterschieden sich dabei deutlich in ihrer Größe, so dass sie unterschiedlich mit dem einfallenden Licht wechselwirkten. Die Berechnungen zeigten, dass sich die Scheibe in einem Lichtstrahl mit 1500 Nanometer Wellenlänge tatsächlich selbst stabilisieren könnte. Sowohl laterale Auslenkungen aus dem Lichtfokus als auch Kippwinkel von bis zu zehn Grad konnten durch die auf Strahlungsdruck basierenden Rückstellkräfte ausgeglichen werden.

Ilic und Atwater betonen, dass es sich bei ihrem Modell um ein idealisiertes System mit einer gleichmäßigen Gewichtsverteilung handelt. Doch je nach Anordnung der nanophotonischen Module könnten sich auch weniger homogen aufgebaute Objekte selbstständig stabilisieren. Auf dieser theoretischen Grundlage wäre es vorstellbar, makroskopische Objekte mit einer Metaoberfläche auszustatten, um die berechneten photonischen Rückstellkräfte im Experiment zu überprüfen. Als erste Anwendungen schalgen Ilic und Atwater in Lichtstrahlen schwebende mechanische Oszillatoren vor, um optomechanische Effekte genauer zu untersuchen. „Später wären vielleicht Fertigungstechniken möglich, bei denen Bauteile mit optischer Levitation gegriffen und patziert werden“, sagt Atwater. Auch ein sich selbst stabilisierendes, extrem leichtes Lichtsegel für interstellare Reisen bleibt im Rahmen physikalischer Gesetze durchaus vorstellbar, doch vorerst der Science-Fiction-Literatur vorbehalten.

Jan Oliver Löfken

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