Schwere-Fermionen-Supraleiter bricht Zeitumkehrinvarianz
Messungen an Uran-Platin-3 ergeben Kerr-Effekt für das supraleitende Kondensat.
Seit seiner Entdeckung 1984 gibt der exotische Schwere-Fermionen-Supraleiter Uran-Platin-3 mit seinen insgesamt drei supraleitenden Phasen Rätsel auf. Seine Leitungselektronen, auf deren Paarung die Supraleitung beruht, haben eine effektive Masse, die fünfzigmal so groß ist wie die Masse eines freien Elektrons. Bei Temperaturen unter 5 K ist UPt3 ein Antiferromagnet, was darauf hindeutet, dass bei der Elektronenpaarung der Magnetismus eine wichtige Rolle spielt. Jetzt haben magneto-optische Messungen an einem UPt3-Kristall ergeben, dass in einer der supraleitenden Phasen die Zeitumkehrinvarianz gebrochen ist, in einer anderen jedoch nicht. Das eröffnet neue Einblicke in diese exotische Supraleitung.
Abb.: Oberhalb von T2=0,48 K trägt das supraleitende Kondensat nichts zum gemessenen Kerr-Winkel bei, da es die Zeitumkehrinvarianz respektiert. Unterhalb von T2 liefert es einen positiven Beitrag (A), ob mit äußerem Magnetfeld (rote Punkte) oder ohne (graue Punkte). Es bricht also die Zeitumkehrinvarianz. Wird das Magnetfeld umgedreht (B), so wechselt der Beitrag des Kondensats zum Kerr-Winkel das Vorzeichen. Es wird gewissermaßen ummagnetisiert. (Bild: E. R. Schemm et al. / AAAS)
Elizabeth Schemm, Aharon Kapitulnik von der Stanford University und Kollegen haben mit einem magneto-optischen Verfahren die Zeitumkehrinvarianz eines Supraleiters unter die Lupe genommen und seine magnetischen Eigenschaften untersucht. Worum es dabei geht, erläutern sie am Beispiel des Faraday-Effekts. Durchquert eine linear polarisierte Lichtwelle einen magnetischen, zirkular doppelbrechenden Kristall, so wird die Polarisationsebene der Welle um den Faraday-Winkel gedreht. Solch eine Drehung kann aber unter bestimmten Bedingungen auch durch ein unmagnetisches, linear doppelbrechendes Material hervorgerufen werden.
Man kann jedoch zwischen beiden Effekten unterscheiden, indem man gewissermaßen die Zeit umkehrt. Dazu spiegelt man die Welle nach Durchqueren des Kristalls, sodass sie rückwärts durch den Kristall läuft. Liegt lineare Doppelbrechung vor, so kehrt die Polarisation der Welle in ihre Ausgangsebene zurück. Bei zirkularer Doppelbrechung ist das nicht der Fall, vielmehr wird die Polarisationsebene erneut um den Faraday-Winkel gedreht, sodass sie nun um den doppelten Winkel von der Ausgangsebene abweicht. In ähnlicher Weise kann man die Brechung der Zeitumkehrinvarianz mit Hilfe des polaren Kerr-Effekts nachweisen, bei dem die Polarisationsebene einer Lichtwelle durch Reflexion an einer Kristalloberfläche um den Kerr-Winkel gedreht wird.
Die Gruppe von Kapitulnik hatte schon vor einigen Jahren ein äußerst empfindliches Messgerät entwickelt, mit dem sich winzige Änderungen des Kerr-Winkels um etwa 50 nrad nachweisen lassen. Damit hatten sie 2006 zeigen können, dass der Spin-Triplett-Supraleiter Strontiumsruthenat (Sr2RuO4), bei dem die Elektronenspins eines Cooper-Paares in dieselbe Richtung zeigen und ein Triplett bilden, die Zeitumkehrinvarianz bricht. Während der gemessene Kerr-Winkel in der normalleitenden Phase konstant war, nahm er unterhalb von 1,5 K in der supraleitenden Phase bei weiterer Abkühlung stetig zu. Das supraleitende Kondensat hatte demnach ein magnetisches Moment entwickelt.
Was haben nun die aktuellen Untersuchungen von UPt3 erbracht? Bei verschwindendem äußerem Magnetfeld zeigte die spezifische Wärme eines millimetergroßen UPt3-Einkristalls zwei Peaks, und zwar bei T1 = 0,55 K und bei T2 = 0,48 K. Bei der oberen Sprungtemperatur T1 fand der Übergang von der normalleitenden Phase in die supraleitende A-Phase statt, bei der unteren Temperatur T2 trat die supraleitende B-Phase auf. Beide supraleitenden Phasen, die sich durch ihre Symmetrie unterscheiden, werden durch die antiferromagnetische Ordnung im Kristall stabilisiert.
Oberhalb von T1 war der gemessene Kerr-Winkel konstant und von Null verschieden. Dafür war die antiferromagnetische Ordnung im Kristall verantwortlich, die schon für sich allein die Zeitumkehrinvarianz brach. Zwischen T1 und T2 änderte sich der Kerr-Winkel nicht, d. h. die A-Phase trug nichts zu ihm bei, da sie zeitumkehrinvariant war. Doch unterhalb von T2 nahm der Kerr-Winkel bei weiterer Abkühlung stetig zu, und zwar wie ((1 - (T / T1)2) (1 - (T / T2)2))½. Die B-Phase brach somit die Zeitumkehrinvarianz. Dieses Verhalten ist nach Aussage der Forscher in Einklang damit, dass die A-Phase zwischen T1 und T2 durch einen reellen Ordnungsparameter proportional zu (1 - (T / T1)2)½ beschrieben werden kann. Unterhalb von T2 wird der Ordnungsparameter komplex, indem ein Imaginärteil proportional zu (1 - (T / T2)2)½ dazukommt.
Wurde der Kristall einem Magnetfeld ausgesetzt, so koppelte dieses erwartungsgemäß an den Ordnungsparameter der B-Phase. Mit dem Magnetfeld konnte man die B-Phase gewissermaßen magnetisch ausrichten und umdrehen. Wurde das Feld, das zunächst parallel zur c-Achse des hexagonalen UPt3-Kristall orientiert war, umgekehrt, so wechselte die T-abhängige Änderung des Kerr-Winkels ihr Vorzeichen. Dass die B-Phase auch ohne äußeres Magnetfeld schon eine magnetische Ausrichtung aufwies und zum Kerr-Winkel beitrug, deutet darauf hin, dass der Kristall nur eine einzige, millimetergroße supraleitende Domäne enthielt.
Die Ergebnisse legen den Schluss nahe, dass in den Cooper-Paaren die Elektronenspins gleichgerichtet sind und ein Triplett bilden. Wegen des Pauli-Verbotes muss dann die Ortswellenfunktion der gepaarten Elektronen ihr Vorzeichen wechseln, wenn die Teilchen vertauscht werden. Die Bahndrehimpulsquantenzahl l muss demnach ungerade sein – vermutlich ist l=1 und es handelt sich um einen p-Wellen-Supraleiter. Jedenfalls würde UPt3 dann zur selben Universalitätsklasse gehören wie die supraleitenden Ruthenate oder das suprafluide Helium-3, dessen faszinierendes Verhalten intensiv erforscht wurde.
Rainer Scharf
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