05.06.2018

Schwergewichte unter sich

Kopplung des Higgs-Bosons an Top-Quarks gemessen.

Vor ziemlich genau sechs Jahren wurde am CERN das Higgs-Boson entdeckt, das für die Masse anderer Elementar­teilchen zuständig ist. Seither steht das Higgs-Teilchen im Fokus umfang­reicher Unter­suchungen. Jetzt haben Wissenschaftler vom ATLAS-Experiment am Large Hadron Collider, unter Beteiligung des Max-Planck-Instituts für Physik, erstmals die seltene Produktion eines Higgs-Bosons zusammen mit einem Top-Quark-Paar (ttH-Produktion) beobachtet. Dies öffnet ein weiteres Tor für die Suche nach neuen Physik­phänomenen jenseits des Standard­modells der Teilchen­physik.

Abb.: Die ATLAS-Aufnahme zeigt einen Kandidaten für die Produktion des Higgs-Bosons zusammen mit zwei Top-Quarks. (Bild: CERN)

Als schwerstes Elementarteilchen im Standard­modell koppelt das Top-Quark auch am stärksten von allen Teilchen an das Higgs-Boson. „Direkt nach­weisbar ist diese Kopplung aber nur durch den ttH-Produktions­prozess, der äußerst selten vorkommt: Nur ein Prozent der Higgs-Bosonen entstehen zusammen mit Top-Quarks“, erklärt Sandra Kortner vom Max-Planck-Institut für Physik. Der ttH-Prozess hinterlässt eine ausgesprochen komplexe Signatur im Detektor. Für die Beobachtung mussten daher möglichst viele Higgs-Boson-Zerfälle – in Photonen, W- und Z-Bosonen, Tau-Leptonen und Beauty-Quarks – berücksichtigt und kombiniert werden.

Den ersten Hinweis auf die ttH-Produktion haben Wissenschaftler letzten Dezember mit dem ATLAS-Experiment gefunden. Seitdem wurden weitere Daten analysiert. In die neuesten Messungen gingen die gesamten Proton-Proton-Kollisions­daten ein, die seit dem Beginn der Daten­nahme im Jahr 2011 bis Ende 2017 aufgenommen wurden. Mit einer statistischen Signifikanz von 6,2 Standard­abweichungen konnte man nun experimentell nachweisen, dass der Higgs-Mechanismus für die große Masse des Top-Quarks verantwortlich ist.

Dies steht im Einklang mit der jüngsten Beobachtung des CMS-Experiments mit einer Signifikanz von 5,2 Standard­abweichungen, die auf einem kleineren Daten­satz basiert. Somit könnte das Ergebnis dazu beitragen, eine wichtige offene Frage im Standard­modell zu beantworten, nämlich warum Fermionen, zu denen Quarks und Leptonen und damit die Bau­steine der Materie zählen, so unter­schiedliche Massen haben.

Die gemessene Stärke der Higgs-Boson-Kopplung an Top-Quarks stimmt mit den Vorher­sagen des Standard­modells überein. „Die Abweichungen von diesen Vorher­sagen, die beispiels­weise durch die Existenz neuer, unbekannter Teilchen auftreten würden, könnten allerdings erst nach präziseren Messungen mit zusätzlichen Daten auf­gedeckt werden“, so Kortner weiter. Die Beobachtung der ttH-Produktion ebnet somit einen wichtigen neuen Weg zu potenziellen Ent­deckungen.

Die aktuellen Messergebnisse für die bereits beobachteten Higgs-Boson-Kopplungen an andere Teilchen – Tau-Leptonen und W- und Z-Bosonen – liegen ebenfalls vor. Auch diese Messungen befinden sich im Einklang mit dem Standardmodell. Die Gruppe am Max-Planck-Institut für Physik hat insbesondere zur Messung des Higgs-Boson-Zerfalls in Z-Bosonen maßgeblich beigetragen.

Die neuen Ergebnisse zur Higgs-Boson-Physik werden bei der diesjährigen LHCP-Konferenz in Bologna vorgestellt. Eine deutliche Steigerung der Mess­genauigkeit für die Eigenschaften des Higgs-Bosons erwarten Wissen­schaftler nach Analyse aller Daten, die bis Ende dieses Jahres aufgenommen werden.

MPP / DE

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