15.08.2019

Schwergewichtiger Quantenbit-Kandidat

Uranditellurid-Einkristalle zeigen ungewöhnliche supraleitende Phase mit möglichen Majorana-Anregungen.

Topo­logische Supraleiter gehören zu den interes­santesten Materialien für die Entwicklung möglichst robuster Quanten­bits. Das liegt daran, dass die Quanten­zustände in ihnen topologisch geschützt sind und sich deshalb durch eine außer­ordentlich gute Kohärenz auszeichnen, die gegen äußere Störungen unempfindlich ist. Ein Forscherteam um Nick Butch, der am NIST Center for Neutron Research (NCNR) arbeitet, hat nun herausgefunden, dass Uran­ditellurid-Einkristalle nicht nur eine, sondern vermutlich gleich mehrere supra­leitende Phasen besitzen, die sich zur Herstellung von Qubits eignen könnten. Zum Team gehörten auch Wissen­schaftler der University of Maryland und des Ames Laboratory.

Abb.: Uranditellurid-Einkristalle auf einem Millimeter-Raster. (Bild: S. Ran,...
Abb.: Uranditellurid-Einkristalle auf einem Millimeter-Raster. (Bild: S. Ran, U. Maryland)

Das Besondere an diesem Material ist seine Spin-Struktur. Bei den meisten Supra­leitern bilden die Spins der gepaarten Elektronen einen Singulett­zustand, bei dem der eine Spin nach oben und der andere nach unten weist. Einige Supraleiter haben aber auch Triplett­zustände, bei denen die Spins der Cooper-Paare parallel sind und einen von drei verschiedenen Spinzuständen einnehmen können. Nach theo­retischen Vorhersagen sind die meisten dieser Spin-Triplett-Supraleiter auch „topo­logische“ Supraleiter. Bei dieser Material­klasse tritt die Supraleit­fähigkeit an der Oberfläche auf und bleibt auch bei äußeren Stör­einflüssen außer­ordentlich robust.

Hinzu kommt, dass topo­logische Supraleiter auch eine spezielle Bandlücke aufweisen sollen, bei der Nullpunkt-Anregungen auftreten können, die zugleich ihre eigenen Anti­teilchen entsprechen. Diese Quasi­teilchen-Zustände sind auch als Majorana-Moden oder gebundene Majorana-Zustände bekannt. Zu den ungewöhnlichen Eigen­schaften dieser Zustände gehört, dass sich bei einer Vertauschung zweier Zustände der Zustand des Gesamt­systems so ändert, dass er nur von der Reihenfolge der Vertauschungen abhängt – eine typisch topo­logische Eigenschaft, die für besonders hohe Quanten­kohärenz sorgt. An einem eisen­basierten Supraleiter konnten etwa schon letztes Jahr Majorana-Zustände nachgewiesen werden.

Bereits die Erzeugung von Uran­ditellurid-Ein­kristallen war nicht trivial: Nicht alle gewonnen Kristalle zeigten Supraleit­fähigkeit. Das Material untersuchten die Forscher dann mit Hilfe von Kernspin­resonanz und Neutronen­streuung, wobei die Kombination von sehr tiefen Temperaturen und sehr hohen Magnetfeldern gewisse Ansprüche an die Technik stellte. Das Material besaß eine Sprung­temperatur von 1,6 Kelvin. Das Besondere war aber seine überraschend starke Magnetfeld­härte: Die kritische Feldstärke sollte nach den bisherigen Messungen bei über vierzig Tesla liegen. Dieser außer­gewöhnlich hohe Wert und seine supraleitenden Eigenschaften lassen Uran­ditellurid (UTe2) in eine Reihe einordnen, zu der auch Verbindungen wie UGe2, UrhGe und UcoGe gehören. Nun gehören diese Substanzen zur seltenen Klasse ferro­magnetischer Supraleiter, während Uranditellurid selbst keine magnetische Ordnung aufweist. Von seinen magne­tischen Eigenschaften her liegt es also am para­magnetischen Ende dieser Reihe ferro­magnetischer Supraleiter. „Das allein macht Uran­ditellurid einzigartig und aus funda­mentaler Hinsicht sehr ungewöhnlich“, sagt Butch.

So aufschluss­reich die bisherigen Messungen auch sind: Noch ist es nicht endgültig erwiesen, ob Uran­ditellurid wirklich ein topologischer Supraleiter mit Majorana-Moden ist. Die Forscher planen deshalb als nächstes, die Anregungs­struktur der Spinzustände daraufhin unter die Lupe zu nehmen, ob sich hier die gesuchten Majorana-Eigenschaften zeigen. Dies sollte sich mit Hilfe von Photo­elektronen-Emissions­spektroskopie und Rastertunnel­aufnahmen sichtbar machen lassen. Bislang konnten die Wissenschaftler zwar nachweisen, dass es sich bei den Spins von Uranditellurid um Triplett-Zustände handelt, aber noch nicht, um welchen mit welchen genauen Eigenschaften. „Die Messungen deuten sogar darauf hin, dass es sich um mehr als nur eine supra­leitende Phase handeln könnte“, erklärt Butch. Das würde zusätzliche interessante Perspektiven für dieses Material eröffnen.

Dabei galt Uran­ditellurid lange Zeit als uninteressant: Seit den 1970er Jahren ist es bekannt und schien keine besonderen Eigen­schaften aufzuweisen. Die Forscher erzeugten nun ein wenig Uranditellurid nebenbei, als sie auch verwandte Stoffe produzierten, und untersuchten seine Eigenschaften. Bei sehr tiefen Temperaturen zeigte es nun seine unge­wöhnlichen Qualitäten, die bis hin zu Qubit-tauglichen Majorana-Moden reichen könnten.

Wann solche Majorana-Qubits in einem Quanten­computer zum Einsatz kommen könnten, hängt aber von einigen offenen Forschungs- und Entwicklungs­fragen ab. Falls sich die Vermutungen bestätigen, wäre Uran­ditellurid ein sehr interes­santer Baustein für topologische und fehler­tolerante Quanten­hardware. Bis zu den ersten Prototypen dürften aber noch ein paar Jahre verstreichen.

Dirk Eidemüller

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