08.07.2020

Schwingungen in Weyl-Halbmetallen

Änderungen der elektronischen Struktur in Wolframtellurid sichtbar gemacht.

Topologische Materialien zeichnen sich durch besondere elektronische Eigenschaften aus, die außerdem sehr robust gegenüber äußeren Einflüssen sind. Zu dieser Material­gruppe gehört auch Wolfram­ditellurid. Hier lässt sich ein solcher topologisch geschützter Zustand mit Hilfe spezieller Laserpulse innerhalb weniger Pikosekunden aufbrechen und somit verändern. Das könnte eine zentrale Voraussetzung sein, um extrem schnelle, opto­elektronische Schalter zu realisieren. Die Änderungen der elek­tronischen Eigen­schaften dieses Materials konnten Physiker der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel in Kooperation mit Forschungs­gruppen des Max-Planck-Instituts für Chemische Physik fester Stoffe in Dresden, der Tsinghua University in Peking und der Shanghai­Tech University jetzt erstmals in Experimenten in Echtzeit beobachten.

Abb.: Topo­logische Materia­lien wie Wolfram­ditellurid, hier eine Probe in...
Abb.: Topo­logische Materia­lien wie Wolfram­ditellurid, hier eine Probe in einer Vakuumkammer, besitzen besondere elek­tronische Eigen­schaften und sind sehr robust gegenüber äußeren Einflüssen. (Bild: AG Bauer)

Mit Laserpulsen brachten die Forscher die Atome in einer Probe Wolfram­ditellurid kontrolliert zum Schwingen und konnten die dadurch ausgelösten Änderungen der elek­tronischen Eigenschaften mit hoch­präzisen Messungen in Echtzeit verfolgen. „Lassen sich die durch den Laser ausge­lösten Änderungen wieder rückgängig machen, hat man im Grunde einen Schalter, der sich optisch aktivieren lässt und der zwischen verschiedenen elek­tronischen Zuständen wechseln kann“, sagt Michael Bauer von der Universität Kiel. Auf so einen Schalt­prozess ließ bereits eine frühere Studie schließen, in der Forschere aus den USA kürzlich die atomaren Bewegungen in Wolframditellurid direkt beobachten konnten. Die Kieler Physiker konzentrierten sich nun auf das Verhalten der Elektronen und wie sich die elek­tronischen Eigen­schaften in demselben Material durch die Bestrahlung mit Laser­pulsen ändern.

„Einige Elektronen in Wolfram­ditellurid sind extrem beweglich, was sie zu hervor­ragenden Informations­trägern für elek­tronische Anwendungen macht. Das liegt daran, dass sie sich wie Weyl-Fermionen verhalten“, erklärt Doktorandin Petra Hein die ungewöhnlichen Eigen­schaften des Weyl-Halbmetalls. Weyl-Fermionen sind masselose Teilchen mit speziellen Eigenschaften, die bisher nur indirekt als Quasi-Teilchen in Festkörpern wie Wolfram­ditellurid beobachtet werden konnten. „Wir konnten jetzt zum ersten Mal Änderungen in den Bereichen der elek­tronischen Struktur sichtbar machen, in denen sich diese Weyl-Eigen­schaften zeigen."

Um die kaum sichtbaren Änderungen der elek­tronischen Eigen­schaften zu erfassen, braucht es einen hoch­empfindlichen experimen­tellen Aufbau, extrem präzise Messungen sowie eine aufwendige Analyse der gewonnenen Daten. In den vergangenen Jahren konnte das Kieler Forschungs­team so eine experi­mentelle Apparatur mit der notwendigen Langzeit­stabilität entwickeln. Mit den dort erzeugten Laserpulsen versetzten sie die Atome im Inneren einer Probe Wolfram­ditellurid in Schwingung. Es entstanden verschiedene, sich überlagernde Schwingungs­zustände, die wiederum die elek­tronischen Eigen­schaften des Materials änderten. „Von einer dieser Schwingungen war bekannt, dass sie die elek­tronischen Weyl-Eigenschaften ändert. Wir wollten herausfinden, wie genau diese Änderung aussieht“, sagt Hein.

Um diesen konkreten Änderungs­prozess zu beobachten, bestrahlte das Forschungsteam das Material nach wenigen Piko­sekunden mit einem zweiten Laserpuls. Er löste Elektronen aus der Probe heraus, von denen sich auf die elek­tronische Struktur des Materials rück­schließen ließ. „Durch die kurze Belichtungs­zeit von nur einer Zehntel Pikosekunden erhalten wir eine Moment­aufnahme des elek­tronischen Zustandes des Materials. Aus vielen solcher Einzelbilder können wir einen Film erstellen und so verfolgen, wie das Material auf die Anregung durch den ersten Laserpuls reagiert“, erklärt Stephan Jauernik die Messmethode. 

Die Aufnahme eines einzigen solchen Daten­satzes über den extrem kurzen Änderungs­prozess dauerte typischer­weise eine Woche. Eine Vielzahl solcher Datensätze wertete das Kieler Forschungsteam mit einem neuent­wickelten Analyseansatz aus und konnten so die Änderungen in den elek­tronischen Weyl-Eigen­schaften von Wolfram­ditellurid sichtbar machen. „Unsere Ergebnisse belegen das empfindliche und sehr selektive Wechselspiel zwischen den Schwingungs­bewegungen der Atome des Festkörpers und den eigentümlichen elektronischen Eigenschaften von Wolfram­ditellurid“, fasst Bauer zusammen. Darauf aufbauende Forschung soll untersuchen, ob derartige elek­tronische Schaltprozesse noch schneller – direkt durch den anregenden Laserpuls – ausgelöst werden können, wie es für andere topo­logische Materialien bereits theoretisch vorhergesagt wurde.

CAU Kiel / JOL

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