12.01.2022 • Geophysik

Seismischen Diskontinuitäten auf der Spur

Forscher finden Ursache für abrupten Wechsel der Geschwindigkeit seismische Wellen.

In einer Tiefe von 660 Kilometern kommt es zu einem abrupten Wechsel der Geschwindigkeit, mit der sich seismische Wellen im Erdinneren ausbreiten. Diese auffällige seismische Diskontinuität verlagert sich jedoch unterhalb kalter Subduktions­zonen, wo die ozeanische Kruste in den Erdmantel unter die kontinentale Kruste sinkt, in eine Tiefe von 750 Kilometern. Ein Forschungsteam am Bayerischen Geoinstitut der Uni Bayreuth hat in einer engen Zusammenarbeit unter anderem mit dem Deutschen Elektronen-Synchrotron DESY in Hamburg durch Hochdruck-Experimente eine Erklärung für dieses bisher rätselhafte Phänomen gefunden: die Umwandlung des Minerals Akimotoit in Bridgmanit.

Abb.: Artem Chanyshev an der IRIS-Presse im BGI, die bei der Studie...
Abb.: Artem Chanyshev an der IRIS-Presse im BGI, die bei der Studie ein­ge­setzt wurde. (Bild: U. Bayreuth)

In der geowissenschaftlichen Forschung besteht Konsens darüber, wie die seismische Diskontinuität zu erklären ist: In dieser Übergangs­zone vom oberen zum unteren Erdmantel zerfällt das Mineral Ringwoodit – das sich aus Magnesium, Eisen, Silizium und Sauerstoff zusammen­setzt – in Bridgmanit und Ferroperiklas. Infolgedessen können sich seismische Wellen schneller fortpflanzen. Die Ursache der seismischen Diskontinuitäten unter kalten Subduktions­zonen war jedoch bisher unklar. In diesen viel kühleren Regionen des Erdinneren teilt sich die seismische Diskontinuität in Diskontinuitäten im Bereich von 660 bis 670 Kilometern und im Bereich von 740 bis750 Kilometern auf.

Die Experimente im BGI, bei denen die im Erdinneren herrschenden Kompressions­drücke und Temperaturen simuliert wurden, zeigen jetzt: Der Zerfall des Ringwoodit in Bridgmanit und Ferroperiklas kann für diese Diskontinuitäten nicht verantwortlich sein. Denn er ist unabhängig von Temperatur­änderungen und findet unter einem Kompressions­druck statt, wie er in einer Tiefe von etwa 660 Kilometern herrscht.

Einer anderen Erklärung sind die Forscher auf die Spur gekommen, als sie den Phasen­über­gang von Akimotoit zu Bridgmanit unter den gleichen Bedingungen untersucht haben. Akimotoit ist ein Mineral, das hauptsächlich in den kühleren Bereichen der Übergangs­zone zum unteren Erdmantel vorkommt. Die Experimente in den Laboratorien des BGI führten zu einem über­raschenden Ergebnis: Der Phasen­über­gang von Akimotoit zu Bridgmanit weist eine steile negative Clapeyron-Kurve auf. Dies bedeutet: Je tiefer die Temperatur ist, desto höher muss der Kompressions­druck sein, damit es zu einem Phasen­über­gang – nämlich zur Umwandlung in Bridgmanit – kommt. Der höhere Druck ist aber erst in einer größeren Tiefe gegeben. Bereits ein geringes Absinken der Temperatur führt also dazu, dass sich der Phasen­über­gang von Akimotoit zu Bridgmanit deutlich tiefer ins Erdinnere verlagert.

Dieser Befund bietet nun die Möglichkeit, gleich zwei ungeklärte geowissen­schaft­liche Rätsel zu lösen. „Die sehr auffällige seismische Diskontinuität in einer Tiefe von 740 bis 750 Kilometern unterhalb kalter Subduktions­zonen kann auf der Grundlage unserer Experimente plausibel durch den Phasen­über­gang von Akimotoit zu Bridgmanit erklärt werden“, sagt Artem Chanyshev vom BGI. „Eine weitere Diskontinuität, die in 660 bis 670 Kilometern unterhalb kalter Subduktions­zonen auftritt, wird durch den Zerfall von Ringwoodit in Akimotoit und Ferroperiklas verursacht. Diese beiden Übergänge können dazu führen, dass sich die Ausbreitungs­geschwindigkeit seismischer Wellen abrupt ändert.“

U. Bayreuth / RK

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