Selbstorganisierte Wellen in Zellen
Bestimmte Wellenmuster suchen sich den längsten Weg in der Zelle und sorgen damit überall für Ordnung.
Im Inneren einer Zelle muss eine gewisse Ordnung herrschen, damit Prozesse, wie etwa die Zellteilung oder Transportvorgänge, reibungslos verlaufen können – die Moleküle müssen sich selber organisieren. Den Gesetzen dieser Selbstorganisation sind Physiker um Karsten Kruse von der Universität des Saarlandes, und um Petra Schwille, bis vor Kurzem an der Technischen Universität Dresden, auf der Spur. Im Bakterium Escherichia coli bilden einige wechselwirkende Proteine Wellen, die die Ordnung in der Zelle erhalten. Die Forscher haben nun untersucht, wie diese Wellen beeinflusst werden, und herausgefunden, dass die Wellen sich immer entlang des längsten Weges ausbreiten.
Abb.: Wellenmuster auf einer Membran, die die Form des Buchstabens „L“ hat: Sowohl im Experiment (links) als auch in den computergestützten Simulationen (rechts) ändern die Proteinwellen an der Knickstelle des Buchstabens ihre Richtung, um dem längsten Weg zu folgen. (Bild: U Saarland)
„In unserer Arbeit haben wir uns für die sogenannten Min-Proteine interessiert“, erläutert Karsten Kruse. Diese Proteine kommen im Zellinneren von Bakterien vor und bestimmen die Zellmitte als Ort der Zellteilung. „In Zusammenarbeit mit Wissenschaftlern der Technischen Universität Dresden konnten wir vor einiger Zeit zeigen, dass sich diese Proteine selbst organisieren können“, so Kruse weiter. „Isoliert man diese Proteine aus einer Zelle und setzt sie in einer Flüssigkeit auf eine künstliche Membran, kann man unter dem Mikroskop beobachten, dass sie in der Flüssigkeit bestimmte Muster in Form laufender Wellen und Spiralen erzeugen.“ Diese Bewegungen kommen zustande, weil die Moleküle miteinander agieren und somit Energie freigesetzt wird, die als Bewegungsmuster zu erkennen ist.
Die Physiker aus Dresden und Saarbrücken haben in der nun veröffentlichten Studie untersucht, welche Bedingungen diese Musterbildung beeinflussen. Dazu haben sie die isolierten Proteine auf kleine rechteckige Membranen mit unterschiedlichen Seitenverhältnissen aufgetragen. „Wir haben beobachtet, dass die Wellen entlang der Diagonalen laufen und somit immer den längstmöglichen Weg nehmen“, berichtet Kruse. In einem weiteren Versuch haben die Wissenschaftler die Proteine auf eine Membran aufgetragen, die aussieht wie der Buchstabe „L“. Dabei haben sie festgestellt, dass die Wellen an der Knickstelle des Buchstabens ihre Richtung ändern, um dem längsten Weg zu folgen. „Insgesamt hat sich gezeigt, dass diese Wellenmuster dazu neigen, immer den längsten Weg einzuschlagen“, kommentiert Kruse die Ergebnisse der Studie. Die Proteine sind also in der Lage, den ganzen ihnen zur Verfügung stehend Raum zu „erkennen“ und ihn für die Bildung der Wellen zu nutzen.
In dieser Arbeit haben die Forscher die Wellenmuster sowohl in Experimenten als auch in computergestützten Simulationen untersucht und sind zu denselben Ergebnissen gekommen. „Unsere Studie ist ein gutes Beispiel dafür, dass theoretische Modelle der biologischen Wirklichkeit immer näher kommen“, so Kruse. Mit ihrer Arbeit helfen die Physiker unter anderem auch Biologen und Medizinern, Abläufe im Inneren der Zellen besser zu verstehen.
U Saarland / TU Dresden / DE