Selbstorganisierter Kunststoff
Eine Verbindung aus wasserlöslichen und -unlöslichen Polymeren ermöglicht neue Anwendungen.
Eine Verbindung aus wasserlöslichen und -unlöslichen Polymeren ermöglicht neue Anwendungen.
Toronto (Kanada)/Newark(USA) – Fasern aus Nanoröhrchen, Katalysatoren aus Platin-Partikeln oder leuchtende Nanokristalle aus Silizium: Nicht nur diese reinen, anorganischen Substanzen versprechen zahlreiche Anwendungen, auch Polymere locken mit neuen Eigenschaften im Nanomaßstab. Eine amerikanische und eine britisch-kanadische Forschergruppe fanden unabhängig voneinander geschickte Systheseverfahren für solche maßgeschneiderten Copolymere. Ihre Ergebnisse präsentieren sie in der Zeitschrift „Science“.
In der Natur tauchen Mischsubstanzen aus wasserabstoßenden und -anziehenden Molekülen häufig auf. Sie bilden so genannte Micellen mit einer äußeren und einer inneren Grenzschicht. Für den kontrollierten Nachbau solcher Micellen aus verschiedenen Polymertypen behalfen sich nun beide Forschergruppen der Selbstorganisation, konnten diese aber durch äußere Randbedingungen steuern.
Honggang Cui und seine Kollegen von der University of Delaware in Newark stellten so langkettige, zylindrische Nano-Blockcopolymere aus spezielen Polystyrol-Molekülen her. Sowohl die Länge als auch der chemische Aufbau dieser so genannten Supermicellen ließen sich über die Verfügbarkeit der Baumaterialien in der Syntheselösung kontrollieren. „Blockcopolymere werden zunehmend als Formvorlagen (templates) verwendet“, berichten die Wissenschaftler. Daher stoße eine solche Kontrolle bei der Synthese auf wachsendes Interesse.
Cui und Kollegen kombinierten zusätzlich organische Ausgangsstoffe mit anorganischen. Beispielsweise hefteten sie Nanopartikel aus Gold an ihre einige Hundert Nanometer langen Supermicellen an. Damit erscheint es möglich, Nanokomposite mit den gewünschten physikalischen und chemischen Eigenschaften maßzuschneidern. „Diese Vielfalt macht die Micellen attraktiv für Anwendungen vom Wirkstofftransport, über Kosmetik bis hin zur Nanolithographie“, beurteilt Marc A. Hillmyer von der University of Minnesota diese Ergebnisse in einem begleitenden Kommentar.
Das sich selbst organisierende Wachstum von zylindrischen Copolymeren konnten auch Mitchell A. Winnik und seine Kollegen von den Universitäten in Toronto und Bristol gut beeinflussen. Sie kombinierten Polyisopren- und spezielle Polysiloxan-Moleküle ebenfalls zu Micellen-Ketten von bis zu zwei Mikrometern Länge und wenigen Nanometern Durchmesser her. Das Wachstum ließ sich dabei direkt durch die Menge der zugegebenen Substanzen kontrollieren. Selbst wenn nach Abschluss einer Synthese diese Ausgangsstoffe abermals der Lösung zugefügt wurden, setzte das Wachstum wieder ein.
Abb.: Links: Ein gezeichnete Darstellung, wie sich Polyisopren- und spezielle Polysiloxan-Moleküle zu Micellen-Ketten von bis zu zwei Mikrometern Länge und wenigen Nanometern Durchmesser kombinieren lassen (Wang et al.). Rechts: Einer elektronenmikroskopische Aufnahme der zylindrische Nano-Blockcopolymere an die Gold-Nanopartikel geheftet wurden (Cui et al.).
Beide Ansätze zeigen die Leistungsfähigkeit von selbstorganisierten Wachstumsprozessen. Der Vorteil zu anorganischen Nanokompositen liegt in den relativ einfachen nasschemischen Herstellungsverfahren. Werden die Kontrollmethoden weiter verfeinert, locken eine Vielzahl neuer Polymerstrukturen, die an die jeweiligen Anwendungen in der Medizintechnik oder für die Anordnung von effizienten Nanokatalysatoren und vielleicht sogar Nanoschaltkreisen angepasst werden können. Ihnen könnte eine wichtige Rolle als Werkzeug für den Aufbau komplexer Strukturen aus einzelnen Molekülen und Nanoteilchen zukommen.
Jan Oliver Löfken
Weiter Infos:
- Originalveröffentlichungen:
X. Wang et al., Cylindrical Block Copolymer Micelles and Co-Micelles of Controlled Length and Architecture, Science 317, 644 (2007).
http://dx.doi.org/10.1126/science.1141382
H. Cui et al., Block Copolymer Assembly via Kinetic Control, Science 317, 647 (2007).
http://dx.doi.org/10.1126/science.1141768 - Kommentar:
Marc A. Myer, Micelles Made to Order, Science 317, 604 (2007).
http://dx.doi.org/10.1126/science.1144899 - University of Delaware in Newark:
http://www.udel.edu - Dep. of Materials Science:
http://www.mseg.udel.edu - University of Toronto, Dep. of Chemistry:
http://chem.toronto.edu - University of Bristol, Colloid Center:
http://www.bristol.ac.uk/bcc/
Weitere Literatur:
- N. Hadjichristidis, S. Pispas, G. Floudas, Block Copolymers: Synthetic Strategies, Physical Properties, and Applications (Wiley-Interscience, New York, 2002).
- T. P. Lodge, Macromol. Chem. Phys. 204, 265 (2003).
- R. Zana, E. W. Kahler, Eds., Giant Micelles: Properties and Applications (CRC Press, Boca Raton, 2007).