Sensoren aus roten Diamanten
Gezielte Synthese von Fehlstellen im Diamantgitter für Quantensensoren.
Physikern der Universität Leipzig ist ein wichtiger Schritt bei der Nutzung der Quantentechnologie für Computer und Sensoren gelungen. Grundlage der Experimente von Jan Meijer vom Felix-Bloch-Institut für Festkörperphysik und seiner Arbeitsgruppe sind Farbzentren, die einen Diamanten rot färben. Die besonderen Eigenschaften dieser Zentren wurden bereits im Jahr 2000 von Forschern der Universität Stuttgart entdeckt, aber erst jetzt ist es gelungen, diese Zentren mit fast hundertprozentiger Sicherheit gezielt künstlich herzustellen. Erst diese hohe Ausbeute ermöglicht es, ohne den bisher nötigen großen Aufwand Quantensysteme und in Zukunft Quantencomputer herzustellen.
Die Physiker stellten in Zusammenarbeit mit Bernd Abel vom Leibniz-Institut für Oberflächenmodifizierung die besonderen „roten“ Diamanten selbst her – in einer weltweit einmaligen Anlage zur Ionenimplantation und Elektronenbestrahlung. In dem Produktionsprozess wird ein Stickstoffatom mit hoher Geschwindigkeit in das Gitter eines Rohdiamanten geschossen. Im Ergebnis entsteht der spezielle Diamant, der eine hohe Dichte der NV-Zentren hat. Das sind Diamantgitterfehler aus einer Kombination eines Stickstoffatoms mit einer Fehlstelle, die dem Diamanten besondere Eigenschaften verleihen, unter anderem die rote Färbung. Wird er bei Zimmertemperatur mit grünem Licht bestrahlt, werden die NV-Zentren auf minus 273 Grad Celsius lokal gekühlt, obwohl sie sich mitten in dem Diamantkristall befinden, der weiterhin Raumtemperatur hat
„Dadurch kann man Quantensysteme bei Raumtemperatur bearbeiten. Bisher ging das nur im Labor bei sehr tiefen Temperaturen in Kryostaten. Das bedeutet, man kann einen Quantencomputer oder einen Quantensensor für den Alltagsgebrauch herstellen“, erklärt Meijer. In einem anschaulichen Experiment nutzten die Forscher einen roten Diamanten als extrem empfindlichen Magnetsensor, um eine E-Gitarre zum Klingen zu bringen. Hierbei wird die Position der einzelnen Saiten mit sehr hoher Geschwindigkeit und Auflösung abgetastet und danach der Ton errechnet.
In einem so einfachen und damit kostengünstig produzierbaren Aufbau konnte dieser Effekt bisher nicht gezeigt werden. Hierbei sind im Gegensatz zu anderen Techniken weder aufwendig erzeugte Mikrowellen, noch präzise ausgerichtete hochreine Kristalle notwendig, sondern einfache, preisgünstige speziell behandelte Industriediamanten für Bohrer oder sogar nur profanes Diamantpulver, das normalerweise nur für Schleifpapier genutzt wird. „Es ist erstaunlich, dass ein so komplexer physikalischer, hochsensitiver Effekt in einem so einfachen und robusten Aufbau möglich wird“, sagt der Physiker.
Der hochempfindliche Magnetfeldquantensensor ist im Gegensatz zu allen bisherigen Quantensensoren mit gängigen automatischen Bestückungsanlagen für gedruckte Schaltungen in hohen Stückzahlen zu verarbeiten und bei Raumtemperatur einsatzfähig. „Bislang wurden die quantenmechanischen Eigenschaften nur im Labor eingesetzt. Wir wollen sie jetzt unter anderem für Sensoren in der Medizintechnik, in der Radartechnologie oder zur Messung von Positionierungen und Längen in Maschinen nutzen. Dabei wirkt bereits der Diamant wegen seines dichten Gitters wie eine Thermoskanne. Ein scheinbar paradoxes Verhalten, weil die Wärmeleitfähigkeit eines Diamanten zehnmal größer ist als von Kupfer. Nur so lassen sich diese Quanteneffekte auch in natürlichen Umgebungen und bei Raumtemperatur beobachten und gezielt steuern“, erläutert Meijer.
U. Leipzig / JOL