25.01.2023

Sensorhaut für effizientere Flugzeuge

Winzige Sensoren in thermoplastisches Polyurethan integriert.

Um den Luftverkehr mit dem Ziel der Nachhaltigkeit zu verbinden, müssen der Treibstoff­verbrauch gesenkt und die Energie­effizienz gesteigert werden. Innovative Technologien sind dabei eine treibende Kraft: Leichte, langlebige Baumaterialien und eine optimierte Aerodynamik sind nur Beispiele dafür. Um diese zu nutzen, benötigt der Flugverkehr zuver­lässige Messmethoden, die Erkenntnisse zum Verhalten der Materialien liefern und Belastungen bis auf den Nanometer genau erfassen. Zur Schließung dieser Wissenslücke entwickeln Wissen­schaftlerinnen und Wissen­schaftler vom Fraunhofer-Institut für Zuver­lässigkeit und Mikro­integration IZM in Berlin eine Art Sensorhaut, die über die Flügel eines Flugzeugs gespannt wird, verschiedene Werte misst und diese live auswertet. 

Abb.: Diese Sensormodule für den Luftverkehr sammeln als dehnbare Überzüge...
Abb.: Diese Sensormodule für den Luftverkehr sammeln als dehnbare Überzüge auf den Flügeln Daten. (Bild: Fh.-IZM)

Im Fokus der Untersuchung steht der Kunststoff, der standardmäßig zur Lackierung von Flugzeugen genutzt wird: thermo­plastisches Polyurethan (TPU). Die Aufgabe der Forschenden bestand darin, Teststreifen des Materials mit integrierten elek­tronischen Bauelementen wie Sensorsystemen aufzubauen und diese später unter verschiedenen Belastungen zu testen. In der Realität eingesetzt, kann ein solcher Sensor­überzug Informationen zu Temperatur, Luftdruck, Schwingung und Vibration der Tragflächen liefern. Hierzu muss vorab die Resistenz des Sensorstreifens gegen Chemikalien, wie zum Beispiel Enteisungs­mittel oder Kerosin, untersucht werden. Flugzeug­hersteller gewinnen durch eine solche flächen­deckende Sensorik in der Außenhaut einen detaillierten Datenpool, aus dem sich Rückschlüsse auf die Abnutzung oder Langlebigkeit des verbauten Materials ziehen lassen. Des Weiteren könnte durch eine Live-Auswertung von Umgebungs­parametern und Strömungs­widerständen während des Flugs der Kerosin­verbrauch optimiert werden.

Obwohl das Team seine Expertise auf dem Gebiet der Aufbau- und Verbindungstechniken dehnbarer Elektronik als Grundlage anwenden konnte, war es nicht einfach, den Kunststoff mit minia­turisierten Sensoren für die Aeronautik nutzbar zu machen. Zu Beginn liegt das TPU nämlich als schlaffe Folie vor, was seine Bearbeitung kompliziert macht. Die Crux dabei ist, weder die sensiblen Bauteile noch das flexible Material während der Prozessierung zu beschädigen. Zudem muss bei extremer Dünne des Gesamtaufbaus von 200 Mikrometern eine hohe Funktionalität gewährleistet werden. Die Substratdicke ist auch für das Gewicht entscheidend, das so gering wie möglich ausfallen muss. Im ersten Schritt wurde der Kunststoff charakterisiert, so dass relevante Parameter wie die temperatur­bedingte Ausdehnung oder Elastizität bekannt waren. Diese Erkenntnisse flossen wiederum in weitere Simulationen ein, die konkrete Schwachstellen sowie die Lebensdauer des TPUs unter mechanischer und thermo­mechanischer Belastung prognos­tizierten. Mit den gewonnenen Daten konnten darüber hinaus ideale Prozess­parameter wie Temperatur und Druckeinstellungen für die Folien­lamination sowie das Löten der Bauelemente und Komponenten abgeleitet werden.

Das Schaltungs­muster für das dehnbare Sensormodul realisierten die Forschenden mit Hilfe von Lithografie und Ätzprozessen, die standardmäßig in der Leiterplatten­herstellung Anwendung finden. Nachdem die Bauelemente bestückt und gelötet wurden, demonstrierte das Team rund um Stefan Wagner und Joao Alves Marques zwei Verfahren, mit denen die Bauelemente vor äußeren Einwirkungen geschützt werden: zum einen mit Glob Tops, die ebenfalls aus Polyurethan bestehen und mikro­elektronische Bauteile als aushärtende Vergussmasse versiegeln, zum anderen die Integration von dünnen Chips direkt in das Substratinnere mittels Flip-Chip-Montage. Ein klarer Vorteil der ausgewählten Techno­logien und Materialien ist, dass das TPU als Schaltungs­träger mit integ­rierten Sensormodulen Flexibilität bietet, was für die Anwendung im Flugverkehr von hoher Bedeutung ist. Das biegsame Substrat kann sich an die Flügel anschmiegen und gleichzeitig die verbaute Elektronik schützen. 

Nachdem die entstandenen Teststreifen erfolgreich vom Industrie­partner Airbus Central C&T gegen mechanische und chemische Einflüsse getestet wurden, sind Folgeprojekte denkbar. Mit der angewandten Aufbau- und Verbindungs­technik wird beispielsweise angestrebt, die Sensorik nicht nur in Streifen, sondern auch in planare Module zu integrieren, die innerhalb einer Fläche mit bis zu sechzig Zentimeter Kantenlänge realisiert werden können. Um eine gewisse Autarkie von der Flug­elektronik zu gewährleisten, ist die Untersuchung der Integration der gesamten Auswerte­elektronik in solche TPU-Sensormatten von großem Interesse. So könnte das Sammeln von Daten unabhängig von Flugzeug­ressourcen stattfinden und die Kommunikation komplett kabellos per Funk oder Bluetooth durchgeführt werden. 

Fh.-IZM / JOL

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