16.06.2020 • Energie

Sichere Windkraft

Messtechnisch fundierte Prognose-Methode ermittelt Einfluss von Windrädern auf die Flugsicherung.

Seit acht Jahren erforschen Wissenschaftler der Physikalisch-Technischen Bundes­anstalt (PTB), wie sich Störungen von Wind­kraft­anlagen auf Einrichtungen der Flugsicherung verlässlich und realistisch abschätzen lassen. Die wissen­schaftliche Aufgabe war messtechnisch komplex und das Vorgehen weltweit einmalig. Nun fließen die ermittelten Erkenntnisse in eine neue Prognose-Methode ein, welche in Zukunft die Zulassung von neuen Wind­energie­anlagen auf eine natur­wissenschaftlich solide Basis stellt. . 
 

Abb.: Ein mit Messtechnik ausgestatteter Oktokopter erfasst Messdaten in...
Abb.: Ein mit Messtechnik ausgestatteter Oktokopter erfasst Messdaten in verschiedenen Höhen und Entfernungen rund um eine Wind­kraftanlage. (Bild: PTB)

Unterstützt vom Bundes­ministerium für Wirtschaft und Energie (BMWi), vom Bundes­ministerium für Verkehr und digitale Infra­struktur (BMVI), dem Bundes­aufsichts­amt für Flugsicherung (BAF) und der DFS Deutsche Flug­sicherung GmbH soll die neue Berechnungs­formel ab dem 1. Juni 2020 angewandt werden. Dass Wind­energie­anlagen nur in einem Mindest­abstand zu Dreh­funkfeuern gebaut werden dürfen, hat einen guten Grund. Denn Dreh­funkfeuer unterstützen die Navigation von Flugzeugen und arbeiten mit elektro­magnetischen Signalen. Hohe Bauwerke wie Wind­energie­anlagen können diese elektromagnetischen Signale stören. Um die Stärke einer solchen Störung schon in der Planungs­phase einer Wind­kraftanlage abzuschätzen, wurde bisher mit Hilfe einer mathematischen Näherungs­formel gerechnet. Doch Berechnungen und Messungen der PTB zeigen, dass dadurch der Einfluss der Windkraftanlagen im Mittel aller Anlagen – und das kann individuell durchaus unterschiedlich sein – etwa um den Faktor zwei überschätzt wird.

In Zeiten der Energiewende, in denen intensiv nach bebaubaren Flächen gesucht wird, konkurrieren Flug­navigations­anlagen und neue Windparks zunehmend um geeignete Standorte, etwa um Höhenlagen. Zahlreiche Genehmigungs­verfahren sind in der Vergangenheit an der bisher geltenden Prüfung bis zu einem Abstand von 15 Kilometern (Anlagen­schutzbereich) gescheitert. „Es war wichtig, hier eine Lösung zu finden, die sowohl die Belange der Flug­sicherung wahrt als auch den weiteren Ausbau der Wind­energie ermöglicht“, erläutert Thorsten Schrader, Wissenschaftler an der PTB und Leiter der beiden Projekte Weran und Weran plus.

Um dieses Ziel zu erreichen, haben PTB-Wissenschaftler mit ihren Projekt­partnern sowohl die wissenschaftlichen Grundlagen des bisherigen Bewertungs­verfahrens überprüft als auch eine neue Prognose­methode entwickelt. Im Fokus standen dabei DVOR-Navigations­anlagen (Doppler Very High Frequency Omnidirectional Radio Range), von denen es knapp vierzig in Deutschland gibt. Um das gesamte elektro­magnetische Feld rund um Navigations- und Windanlagen zu prüfen, haben die Wissenschaftler Drohnen mit Präzisions­navigation entwickelt, deren acht Rotoren einen stationären Schwebe­flug ermöglichen, um Vor-Ort-Messungen in bis zu mehreren hundert Metern Höhe durchzuführen. Mit speziell dafür entwickelter Hoch­frequenz­messtechnik und integrierten Antennen konnten die Forscher so erfassen, wie sich die DVOR-Funksignale ausbreiten, wie sie an den Wind­rädern reflektiert und gestreut werden und wie sich die reflektierten Signale mit den direkten Signalen der DVOR überlagern und zu einem Winkel­fehler führen. 

Vorannahmen und reale Messdaten von einzelnen Wind­energie­anlagen wurden dann mit einer umfassenden Vollwellen­simulation am Groß­rechner der Universität Hannover verglichen. Hier konnte der durch Wind­energie­anlagen verursachte Winkel­fehler auch für große Szenarien mit zahlreichen Wind­energie­anlagen simuliert werden. Am Ende steht nun eine einfach zu handhabende Methode zur Prognose des Winkel­fehlers bei DVOR zur Verfügung, die durch drohnen­basierte Vor-Ort-Messungen sowie die numerischen Vollwellen­simulationen validiert ist. Momentan konzentrieren sich die Forschungs­arbeiten auf die konventionellen Dreh­funkfeuer (CVOR). Aktuell besteht die Möglichkeit zur Teilnahme an einem Ring­vergleich bzgl. der Störwirkung von Windkraft­anlagen auf DVOR-Signale. Dabei sind Institutionen, die sich ebenfalls mit dieser Thematik beschäftigen, aufgefordert, die Forschungs­ergebnisse von Weran plus nachzuvollziehen. Die Ergebnisse werden dann im Anschluss miteinander verglichen.

Die hier beschriebenen Ergebnisse wurden in den Projekten Weran und Weran plus erzielt, die vom Bundes­ministerium für Wirtschaft und Energie gefördert wurden und an denen neben der PTB noch folgende Partner beteiligt waren: Leibniz Universität Hannover, FCS Flight Calibration Services GmbH, die Jade Hochschule Wilhelms­haven, das Institut Computational Mathematics der TU Braunschweig und die steep GmbH. 

PTB / DE
 

Weitere Infos

ContentAd

Kleinste auf dem Markt erhältliche Hochleistungs-Turbopumpe

Kleinste auf dem Markt erhältliche Hochleistungs-Turbopumpe

Die HiPace 10 Neo ist ein effizienter, kompakter Allrounder für den Prüfalltag, der geräuscharm und besonders energieeffizient ist.

Sonderhefte

Physics' Best und Best of
Sonderausgaben

Physics' Best und Best of

Die Sonder­ausgaben präsentieren kompakt und übersichtlich neue Produkt­informationen und ihre Anwendungen und bieten für Nutzer wie Unternehmen ein zusätzliches Forum.

Meist gelesen

Themen