Lithium-Ionen-Akkus könnten ihre Kapazität um das Sechsfache erhöhen, wenn ihre Anode statt aus Graphit aus Silizium bestünde. Ein Team vom Institut für weiche Materie und funktionale Materialien des Helmholtz-Zentrum Berlin (HZB) hat erstmals detailliert beobachtet, wie Lithium-Ionen in Silizium einwandern. Offenbar reichen schon extrem dünne Silizium-Schichten aus, um die theoretisch mögliche Kapazität des Akkus zu realisieren.
Abb.: Lithium-Ionen wandern durch den Elektrolyten (gelb) in die Schicht aus kristallinem Silizium ein. Im Lauf der Beladung bildet sich eine zwanzig Nanometer dünne Schicht (rot) in der Silizium-Elektrode, die extrem viele Lithium-Atome aufnimmt. (Bild: HZB)
Mit Neutronenmessungen am Institut Laue-Langevin in Grenoble konnten die Forscher zeigen, dass beim Aufladen die Lithium-Ionen nicht tief in das Silizium eindringen, sondern sich vor allem in der unmittelbaren Grenzschicht einlagern: So entsteht eine nur 20 Nanometer dünne Schicht, die extrem viel Lithium enthält. Damit würden schon extrem dünne Silizium-Schichten ausreichen, um eine maximale Beladung mit Lithium zu ermöglichen.
Lithium-Ionen-Akkus versorgen mobile Rechner, Smartphones und Tablets zuverlässig mit Energie. Elektroautos dagegen kommen mit den gängigen Lithium-Ionen-Akkus noch nicht sehr weit. Das liegt an den zurzeit verwendeten Elektroden aus Graphitschichten. Diese können nur eine begrenzte Anzahl von Lithium-Ionen einlagern, so dass sich die Kapazität der aktuellen Lithium-Ionen-Akkus kaum weiter steigern lässt. Daher sind Halbleitermaterialien wie Silizium als Alternative zum Graphit im Gespräch. Silizium ist in der Lage, enorme Mengen an Lithium aufzunehmen. Allerdings zerstört das Einwandern der Lithium-Ionen die Kristallstruktur des Siliziums. Dabei kann das Volumen auf das Dreifache anschwellen, was zu großen mechanischen Spannungen führt.
Nun hat ein Team aus dem HZB-Institut für weiche Materie und funktionale Materialien unter Leitung von Matthias Ballauff erstmals eine Halbzelle aus Lithium und Silizium beim Be- und Entladen direkt beobachtet. „Mit der Methode der Neutronenreflektometrie konnten wir präzise verfolgen, wo sich Lithium-Ionen in der Silizium-Elektrode einlagern und auch, wie schnell sie sich bewegen“, sagt Beatrix-Kamelia Seidlhofer, die die Experimente an der Neutronenquelle im Institut Laue-Langevin durchgeführt hat.
Dabei fanden sie zwei unterschiedliche Zonen. Nahe der Grenzfläche zum Elektrolyten bildet sich eine etwa zwanzig Nanometer dünne Schicht mit extrem hohem Lithium-Gehalt: Auf zehn Silizium- kommen 25 Lithium-Atome. Daran schließt sich eine zweite lithiumärmere Schicht an. Hier kommt auf zehn Silizium-Atome nur noch ein Lithium-Atom. Beide Schichten zusammen sind nach dem zweiten Ladezyklus weniger als 100 Nanometer dick.
Nach dem Entladen bleibt in der Silizium-Grenzschicht zum Elektrolyten etwa ein Lithium-Ion pro Silizium-Platz in der Elektrode zurück. Damit errechnet Beatrix-Kamelia Seidlhofer, dass die theoretisch maximale Kapazität solcher Silizium-Lithium-Batterien bei etwa 2300 Milliamperestunden pro Gramm liegt. Das ist mehr als das Sechsfache der theoretisch maximal erreichbaren Kapazität bei einem Lithium-Ionen-Akku, der mit Graphit arbeitet (372 mAh/g).
Aus dieser Arbeit ergeben sich sehr konkrete Hinweise für das Design von guten Silizium-Elektroden: Sehr dünne Siliziumfilme müssten demnach völlig ausreichen, um maximal viel Lithium aufzunehmen, was wiederum Material und vor allem Energie bei der Herstellung spart.
HZB / DE