Silizium - supraleitend bei Normaldruck
Einem internationalen Forscherteam ist es gelungen, Silizium durch eine extreme Dotierung mit Bor bei Normaldruck supraleitend zu machen.
Einem internationalen Forscherteam ist es gelungen, Silizium durch eine extreme Dotierung mit Bor bei Normaldruck supraleitend zu machen. Nach einer solchen supraleitenden Phase des Halbleiters haben die Physiker 60 Jahre lang erfolglos gesucht. Silizium wird bei einer Bor-Dotierung von einigen Prozent bei Temperaturen unterhalb von 0,35 Kelvin supraleitend, berichtet das Team in der Zeitschrift „Nature“.
„Der lokale Widerstand von halbleitendem Silizium in seiner kristallinen Standardform kann zwar durch Dotierung über mehrere Größenordnungen hinweg geändert werden“, schreiben Etienne Bustarret vom Centre National de la Recherche Scientifique (CNRS) in Grenoble und seine Kollegen aus Frankreich, der Slowakei und Großbritannien, „doch Supraleitfähigkeit konnte bislang niemals erreicht werden.“
Es ist genau jene chemische Eigenschaft, die Silizium einerseits so überaus nützlich als Halbleiter macht, die anderseits die Umwandlung in einen Supraleiter erschwert. Silizium nämlich ist ausgesprochen schwer zu verunreinigen, die Einbringung von Atomen anderer Elementen in das Kristallgitter ist also nicht einfach. Deshalb ist die Produktion von extrem reinem Silizium vergleichsweise problemlos möglich – und reines Silizium ist der ideale Halbleiter, da es nur eine verschwindend geringe Anzahl freier Elektronen und Löcher aufweist.
Reines Silizium leitet deshalb keinen elektrischen Strom. Doch durch die Einbringung von geringen Mengen an beispielsweise Phosphor oder Bor lässt sich dann sehr einfach n- oder p-dotiertes und damit elektrisch leitendes Silizium produzieren – und das ist letztlich die Grundlage unserer gesamten modernen Elektronik. Dabei reicht es bereits, etwa ein Phosphor- oder Bor-Atom pro zehn Milliarden Silizium-Atomen einzubauen.
Bereits bei einer Dotierung von 1:10.000 wird Silizium dann zu einem metallischen Leiter. Theoretische Rechnungen zeigen nun, dass normales kubisches Silizium bei noch stärkerer Dotierung irgendwann sogar supraleitend werden sollte. Doch bislang konnte eine ausreichende Dotierung nicht erreicht werden. Supraleitung wurde nur unter extremen Drucken und in anderen kristallinen Phasen des Siliziums beobachtet.
Abb.: Bor-Dotierung von Silizium: In das kubische Gitter von Silizium (blau) werden vereinzelt Bor-Atome (engl. Boron, rot) eingebaut. Bor hat nur drei Valenzelektronen für die Bindungen im Kristallgitter zur Verfügung, es fehlt also ein Elektron. Deshalb bildet sich ein „Loch“, das durch das Kristallgitter wandern kann. (Quelle: US Department of Energy)
Bustarret und seine Kollegen haben nun jedoch ein Verfahren gefunden, mit dem sie Silizium dazu zwingen, eine Menge an Bor-Atomen aufzunehmen, die weit über alles hinausgeht, was mit den bisher üblichen Techniken erreichbar ist. Dazu lassen die Forscher ein borhaltiges Gas sich auf einem Siliziumfilm ablagern. Dann feuern sie einen gepulsten Laserstrahl hoher Intensität auf den Siliziumfilm. Die hohe Energie des Laserstrahls drückt die Boratome in das schmelzende Silizium hinein, wo sie gewissermaßen „festfrieren“ bevor das Silizium sie wieder herauszudrängen vermag. Mit jedem Laserpuls und dem damit verbundenen Schmelzen und Verfestigen des Siliziums steigt so die Anzahl der Boratome in dem Halbleiter. So erreichen Bustarret und seine Mitarbeiter schließlich eine Dotierung von mehreren Prozent.
Und das dermaßen extrem dotierte Silizium ist, wie die dann folgenden Messungen zeigten, bei Normaldruck und Temperaturen unterhalb von 0,35 Kelvin tatsächlich supraleitend. Nun ist zwar sowohl der Dotierungsprozess als auch die niedrige Temperatur eine Hürde, die eine Anwendung des supraleitenden Siliziums in Alltagsanwendungen verhindern dürfte. Doch Bustarret und seine Kollegen erwarten, dass sich durch noch höhere Bor-Dotierungen auch eine Supraleitung bei höheren Temperaturen erreichen lässt. „Bislang konnten praktisch keine Hybrid-Anwendungen entwickelt werden, die die Halbleitereigenschaften von Silizium mit der Supraleitung verbinden“, schreiben die Forscher. Jetzt jedoch bestehe die „aufregende Möglichkeit, Nanostrukturen und mesoskopische Bauelemente auf Siliziumbasis zu entwickeln, die die Supraleitfähigkeit nutzen.“
Rainer Kayser
Weitere Infos:
- Originalarbeit:
E. Bustarret et al., Superconductivity in doped cubic silicon, Nature 444, 465 (2006).
http://dx.doi.org/10.1038/nature05340 - CNRS:
http://www.cnrs.fr/