16.09.2020

Siliziumchip für Einzelphotonen

Neuartige Quelle für Quantentechnologie ist kompatibel mit gängigen Glasfasern.

Die Quantentechnologie gilt als überaus zukunftsträchtig: Quantencomputer sollen in einigen Jahren Datenbank­suchen, KI-Systeme und Simulations­rechnungen revolutionieren. Schon heute kann die Quanten­kryptographie einen absolut abhörsicheren Datentransfer garantieren, wenn auch mit Einschränkungen. Von Vorteil ist dabei, wenn die neuen Technologien möglichst kompatibel mit der bisherigen, silizium­basierten Elektronik sind. Genau hier ist Physikern des Helmholtz-Zentrums Dresden-Rossendorf (HZDR) und der TU Dresden ein bemerkenswerter Fortschritt gelungen: Das Team hat eine Lichtquelle basierend auf Silizium entworfen, die einzelne Photonen erzeugt, die sich gut in Glasfasern ausbreiten können. 
 

Abb.: Einzel­photonen vom Silizium­chip (Bild: HZDR / Juniks)
Abb.: Einzel­photonen vom Silizium­chip (Bild: HZDR / Juniks)

Quantentechnologie basiert darauf, das Verhalten von Quanten möglichst präzise zu kontrollieren, indem man zum Beispiel einzelne Atome in Magnet­fallen einsperrt oder einzelne Photonen durch Glasfasern schickt. Letzteres ist die Grundlage der Quanten­kryptographie, einer prinzipiell abhörsicheren Art der Kommunikation: Fängt ein Datendieb die Photonen ab, zerstört er unweigerlich deren Quanten­eigenschaften. Das aber bleibt den Sendern und Empfängern der Botschaft nicht verborgen – sie können die unsicher gewordene Übertragung rechtzeitig abbrechen.

Nötig sind dafür Lichtquellen, die einzelne Photonen liefern. Zwar gibt es solche Systeme schon, insbesondere auf Diamant-Basis. Allerdings besitzen sie ein Manko. „Diese Diamant­quellen können nur Photonen mit Frequenzen erzeugen, die sich nicht für die Glasfaser­übertragung eignen“, erklärt HZDR-Physiker Georgy Astakhov. „Das ist für den praktischen Einsatz eine deutliche Einschränkung.“ Also nahmen sich Astakhov und sein Team ein anderes Material vor – den bewährten Elektronik-Grundstoff Silizium.

Um das Material dazu zu bringen, die für die Glasfaser­kommunikation benötigten Infrarot-Photonen zu erzeugen, unterzogen es die Fachleute einer Spezial­behandlung: Mit einem Beschleuniger des HZDR-Ionenstrahl­zentrums feuerten sie gezielt Kohlenstoff ins Silizium. Dadurch entstanden im Material G-Zentren – zwei benachbarte Kohlenstoff­atome, die gemeinsam mit einem Silizium­atom eine Art künstliches Atom bilden.

Bestrahlt man dieses künstliche Atom mit rotem Laserlicht, sondert es die gewünschten Infrarot-Photonen mit einer Wellenlänge von 1,3 Mikrometern ab – einer für die Glasfaser­übertragung überaus geeigneten Frequenz. „Unser Prototyp kann 100.000 Einzelphotonen pro Sekunde erzeugen“, berichtet Astakhov. „Und er läuft stabil, auch nach einigen Tagen Dauerbetrieb konnten wir keine Verschlechterung bemerken.“ Allerdings funktioniert das System nur bei extremer Kälte – die Physiker müssen es mit Flüssighelium auf Temperaturen von minus 268 Grad Celsius kühlen.

„Wir konnten erstmals zeigen, dass eine Einzelphotonen-Quelle auf der Basis von Silizium möglich ist“, freut sich Astakhovs Kollege Yonder Berencén. „Damit scheint es grund­sätzlich machbar, solche Quellen mit anderen optischen Komponenten auf einem Chip zu integrieren.“ Unter anderem scheint es erstrebens­wert, die neue Lichtquelle mit einem Resonator zu koppeln. Dadurch ließe sich folgendes Problem meistern: Bislang kommen die Infrarot–Photonen noch weitgehend zufällig aus der Quelle. Für den Einsatz in der Quanten­kommunikation aber wäre es nötig, Photonen gezielt auf Abruf erzeugen zu können.

Diesen Resonator könnten die Forscher so abstimmen, dass er genau die Wellenlänge der Lichtquelle trifft. Damit ließe sich die Anzahl der erzeugten Photonen so stark erhöhen, dass sie zu jedem nötigen Zeitpunkt verfügbar wären. „Dass man solche Resonatoren in Silizium bauen kann, ist bereits bewiesen“, berichtet Berencén. „Das Glied, was noch fehlte, war eine silizium­basierte Quelle für einzelne Photonen. Und genau die konnten wir jetzt umsetzen.“

Doch bevor an eine praktische Anwendung zu denken ist, müssen die Forscher noch manches Problem lösen – etwa eine gezieltere Produktion der neuen Telekom-Einzel­photonen­quellen. „Dazu wollen wir versuchen, den Kohlenstoff präziser als bisher in das Silizium zu implantieren“, erläutert Georgy Astakhov. „Um solche Ideen zu verwirklichen, verfügt das HZDR mit seinem Ionen­strahlzentrum über eine ideale Infrastruktur.“

HZDR / DE
 

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