12.06.2023

Sinterfrei Glas in 3D drucken

Verfahren erzeugt nanometerfeine Strukturen aus Glas bei erstaunlich niedrigen Temperaturen.

Nanometerfeine Strukturen aus Quarzglas, die sich direkt auf Halbleiter­chips drucken lassen, erzeugt ein am Karlsruher Institut für Technologie (KIT) entwickeltes Verfahren. Ein hybrides organisch-anorganisches Polymerharz dient als Ausgangs­material für den 3D-Druck von Silizium­dioxid. Da das Verfahren ohne Sintern auskommt, sind die dazu erforderlichen Temperaturen deutlich niedriger. Zugleich ermöglicht eine höhere Auflösung Nano­photonik mit sichtbarem Licht.

 

Abb.: Mit dem neuen Verfahren lässt sich eine große Vielfalt von...
Abb.: Mit dem neuen Verfahren lässt sich eine große Vielfalt von Quarz­glas­strukturen im Nano­meter­maßstab erzeugen. (Bild: J. Bauer, KIT)

Das Drucken von aus reinem Siliziumdioxid bestehendem Quarzglas in mikro- und nanometer­feinen Strukturen eröffnet neue Möglichkeiten für viele Anwendungen in Optik, Photonik und Halbleitertechnik. Doch bis jetzt dominieren dabei Techniken, die auf dem traditionellen Sintern basieren. Die für das Sintern von Silizium­dioxid-Nanopartikeln erforderlichen Temperaturen liegen über 1100 Grad Celsius – viel zu heiß für das direkte Abscheiden auf Halbleiterchips. Ein Forschungsteam unter Leitung von Jens Bauer vom Institut für Nano­technologie (INT) des KIT hat nun ein neues Verfahren entwickelt, transparentes Quarzglas mit hoher Auflösung und hervor­ragenden mechanischen Eigenschaften bei deutlich niedrigeren Temperaturen herzustellen.

Bauer, der am KIT die Emmy-Noether-Nachwuchs­gruppe „Nanoarchitected Metamaterials“ leitet, und seine Kollegen von der University of California Irvine und dem Medizintechnikunternehmen Edwards Lifesciences in Irvine stellen das Verfahren nun vor. Als Ausgangs­material dient ein eigens entwickeltes hybrides organisch-anorganisches Polymerharz. Dieses flüssige Harz besteht aus polyedrischen oligomeren Silsesquioxan-Molekülen (POSS): Winzige käfigartige Silizium­dioxid­moleküle sind mit organischen funktionellen Gruppen versehen.

Sobald die vollständig in 3D gedruckte und vernetzte Nanostruktur geformt ist, wird sie an der Luft auf eine Temperatur von 650 Grad Celsius erhitzt. Dabei werden die organischen Komponenten ausgetrieben, und gleichzeitig verbinden sich die anorganischen POSS-Käfige, sodass eine durchgehende Mikro- oder Nanostruktur aus Quarzglas entsteht. Die erforderliche Temperatur ist nur halb so hoch wie bei Verfahren, die auf dem Sintern von Nanopartikeln beruhen.

„Die niedrigere Temperatur erlaubt es, robuste, transparente und frei geformte optische Glas­strukturen direkt auf Halbleiterchips zu drucken, und zwar mit der für die Nanophotonik mit sichtbarem Licht erforderlichen Auflösung“, erklärt Bauer. Neben der ausgezeichneten optischen Qualität weist das so hergestellte Quarzglas hervorragende mechanische Eigenschaften auf und lässt sich leicht verarbeiten.

Das Team aus Karlsruhe und Irvine druckte mit dem POSS-Harz viele verschiedene Strukturen im Nanomaßstab, darunter photonische Kristalle aus freistehenden, 97 Nanometer starken Balken, parabolische Mikrolinsen und ein mehr­linsiges Mikro­objektiv mit nano­strukturierten Elementen. „Unser Verfahren ermöglicht Strukturen, die auch schwierigen chemischen oder thermischen Bedingungen standhalten“, erläutert Bauer.

„Die von Jens Bauer geleitete Gruppe am INT gehört zum Exzellenz­cluster 3DMM2O“, sagt Oliver Kraft, Vizepräsident Forschung des KIT. „Die nun publizierten Forschungsergebnisse sind nur ein Beispiel dafür, wie hervorragend die konsequente Nachwuchs­förderung innerhalb des Clusters funktioniert.“ Das Exzellenz­cluster „3D Matter Made to Order“, kurz 3DMM2O, ein gemeinsames Cluster des KIT und der Universität Heidelberg, verfolgt in der Verbindung von Natur- und Ingenieur­wissenschaften einen stark inter­disziplinären Ansatz. Sein Ziel ist, additive 3D-Fertigungsverfahren auf die nächste Stufe zu bringen – von der Ebene der Moleküle bis hin zu makroskopischen Abmessungen.

KIT / DE

 

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