13.09.2023

Skyrmionen kommen in Schwung

Diffusion von Skyrmionen im das Zehnfache erhöht.

JGU / DE

Ohne Computer ist unser heutiges Leben nicht denkbar. Bis dato funktioniert die Informationsverarbeitung über Ladungsträger, die Elektronen, wobei sich die Komponenten jedoch stark erhitzen. Es ist also eine aktive Kühlung nötig, was mit großem Energieaufwand einhergeht. Die Spintronik soll dieses Problem lösen: Statt die Elektronen selbst für die Informationsverarbeitung zu nutzen, setzt man dabei auf deren Spin, also ihren Eigendrehimpuls. Auch auf die Größe, Geschwindigkeit und Nachhaltigkeit von Computern soll sich dieser Schritt positiv auswirken.



Abb.: Antiferromagnetisch gekoppelte Skyrmionen
Abb.: Antiferromagnetisch gekoppelte Skyrmionen
Quelle: T. Dohi / Tohoku University

Vielfach betrachtet man dabei nicht einfach den Spin eines einzelnen Elektrons, sondern magnetische Wirbel aus zahlreichen Spins. Diese Wirbel treten in magnetischen metallischen Dünnschichten auf und werden Skyrmionen genannt, die quasi als zweidimensionale Teilchen betrachtet werden können. Diese Wirbel lassen sich zum einen zielgerichtet bewegen, indem elektrischer Strom an die dünnen Schichten angelegt wird, zum anderen bewegen sie sich zufällig und äußerst energiesparend aufgrund von Diffusion. Dass sich auf Basis von Skyrmionen ein funktionsfähiger Computer realisieren lässt, konnten Forscher der Johannes Gutenberg-Universität Mainz (JGU) rund um Mathias Kläui bereits anhand eines ersten Prototyps zeigen. Die Basis bildeten dünne, übereinanderliegende Schichten, teilweise nur wenige Atomlagen dick.

Nun ist den Forschern der JGU gemeinsam mit Kollegen der Universität Konstanz und der Tohoku University in Japan ein weiterer Schritt hin zu spinbasiertem, nicht-konventionellem Computing geglückt: Sie konnten die Diffusion der Skyrmionen durch synthetische Antiferromagneten auf das etwa Zehnfache steigern – und damit den Energieverbrauch eines potenziellen Computers dieser Art drastisch senken. „Die Senkung des Energieverbrauchs elektronischer Bauelement ist eine der größten Herausforderungen der Grundlagenforschung“, betont Ulrich Nowak, der den Theorieteil des Projekts in Konstanz leitete.

Doch was ist ein Antiferromagnet und wofür braucht man ihn? Normale Ferromagnete bestehen aus vielen kleinen Spins, die gekoppelt alle in dieselbe Richtung zeigen und damit ein großes magnetisches Moment bilden. In Antiferromagneten zeigt die eine Hälfte der Spins in die eine und die andere Hälfte der Spins in die entgegengesetzte Richtung. Es entsteht also kein netto-magnetisches Moment, obwohl die Spins weiterhin (antiferromagnetisch) geordnet sind. Antiferromagnete haben große Vorteile, etwa eine tausendfach schnellere Dynamik, beispielsweise zum Schalten, eine bessere Stabilität und mögliche höhere Speicherdichten. Im Sonderforschungsbereich Spin+X der Rheinland-Pfälzischen Universität Kaiserslautern-Landau (RPTU) und der Johannes Gutenberg-Universität Mainz (JGU) werden diese Forschungsbereiche intensiv untersucht.

Bewegen sich die Skyrmionen sehr schnell, tritt in ferromagnetischen Schichten senkrecht zur Bewegungsrichtung eine weitere Kraftkomponente auf, die die Wirbel aus der Bahn drückt. Sie krachen also gegen die Wand, bleiben stecken und blockieren den Weg für die anderen, bei hohen Geschwindigkeiten können sie sogar zerstört werden. Theoretisch ist jedoch bekannt, dass dieser Effekt in Antiferromagneten nicht oder nur in sehr geringem Maße auftritt.

Um einen solchen Antiferromagneten herzustellen, haben die Forscher zwei ihrer ferromagnetischen Schichten so miteinander gekoppelt, dass die Magnetisierung in beiden Schichten genau entgegengesetzt ausgerichtet ist und sich ihre Magnetfelder gegenseitig aufheben. Damit erhalten sie zwei Vorteile: Sie reduzieren die Kraft, die die Wirbel aus ihrer Bahn drückt. „Damit haben wir einen synthetischen Antiferromagneten geschaffen, in dem die Diffusion der Skyrmionen etwa zehnmal höher ist als in den einzelnen Schichten“, sagt Klaus Raab, Physiker an der JGU. „Diese Diffusion lässt sich nutzen, um etwa stochastisches Computing zu realisieren – eine Form des Computing, in dem stochastische Prozesse wie die zufällige Bewegung von Teilchen genutzt werden.“

Wie sich die Kompensation der magnetischen Schichten, die Temperatur und die Größe der Skyrmionen genau auf die Diffusion und somit auf die Bewegung der Skyrmionen auswirkt, untersuchte das Team experimentell sowie über Simulationen. Die Zusammenhänge sind komplex: Steigt die Temperatur, haben die Skyrmionen mehr Energie, um schneller zu diffundieren. Durch die Hitze sinkt auch die Größe der Skyrmionen, was sich ebenfalls positiv auf deren Beweglichkeit auswirkt. Auch wirkt sich die Kompensation der senkrechten Kraftkomponente positiv auf die Diffusion aus. All diese Effekte sind schwer voneinander zu trennen. „Die steigende Diffusion scheint nicht nur auf die reine Kompensation der Magnetfelder, sondern auch auf die damit einhergehende sinkende Größe der Skyrmionen zurückzuführen zu sein“, fasst Raab zusammen.

Mathias Kläui, der die Studie geleitet hat, freut sich über die fruchtbare Zusammenarbeit mit der Tohoku University: „Wir arbeiten seit fast zehn Jahren mit dieser führenden japanischen Universität zusammen und es gibt sogar gemeinsame Studienprogramme. Mit Unterstützung des DAAD und weiterer Forschungseinrichtungen konnten schon mehr als ein Dutzend Studierende am Austausch zwischen der JGU und der Tohoku University teilnehmen und ich freue mich, dass diese gemeinsame Arbeit durch die Kooperation möglich geworden ist.“


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