27.08.2021

Smartes Pflaster aus dem 3D-Drucker

Grünes LED-Licht aktiviert heilende Proteine.

Durchblutungs­störungen, eine Diabetes-Erkrankung oder langes Liegen auf derselben Stelle können zu chronischen Wunden führen, die auch nach Wochen nicht abheilen. Wirkungsvolle Behandlungs­möglichkeiten gibt es kaum. Ein Forschungsteam aus den Material­wissenschaften der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel hat zusammen mit Kolleginnen und Kollegen des Universitäts­klinikums Schleswig-Holstein, der Harvard Medical School und der Dankook University, Südkorea, ein Wundpflaster mit heilungs­fördernden Funktionen entwickelt, die patienten­spezifisch angepasst werden können. Das per 3D-Druck hergestellte Pflaster wirkt anti­bakteriell, versorgt die Wunde mit Sauerstoff sowie Feuchtig­keit und unterstützt die Bildung von neuem Gewebe. Durch die Bestrahlung mit Licht wird die Wirkung aktiviert und gesteuert. 

Abb.: Das Pflaster wird im 3D-Drucker passgenau hergestellt und durch grünes...
Abb.: Das Pflaster wird im 3D-Drucker passgenau hergestellt und durch grünes Licht aktiviert. (Bild: L. Siebert)

Basis des neu entwickelten Pflasters ist ein medi­zinisches Hydrogel. Durch seinen hohen Wasser­gehalt von neunzig Prozent und vergleichsweise großen Zwischenräumen auf der Mikroskala kann das Pflaster chronische trockene Wunden optimal versorgen. Wichtigster Bestandteil sind jedoch antibakteriell wirkende Zinkoxid-Mikro­partikel, die auf Licht reagieren und von den Kieler Material­forschenden entwickelt wurden. Gemeinsam mit einem Team des Brigham and Women’s Hospitals der Harvard Medical School fanden sie einen Weg, um auf den Mikro­partikeln spezielle Proteine aufzubringen. Mit zellschonendem grünem Licht werden die Proteine aktiviert und regen so die Bildung neuer Blutgefäße an. Durch die verbesserte Durch­blutung entsteht neues Gewebe und die Wunde kann sich schließen. 

„Indem wir die Wirkung des Pflasters mit Licht steuern, können wir den Verlauf und die Dosierung der Therapie an die individuellen Bedürfnisse von Patien­tinnen und Patienten anpassen“, sagt Rainer Adelung vom Institut für Material­wissenschaft. Das Material reagiert selbstständig auf äußere Reize und kann darüber kontrolliert werden. Ähnlich funk­tionierende Hydrogel­pflaster, die ebenfalls gezielt aktiviert werden können, existieren bereits – sie entfalten ihre therapeutische Wirkung allerdings durch Wärme oder elektrische Signale. „Diese Konzepte haben jedoch den Nachteil, dass sich dabei auch die Wunde erwärmt und Hydrogele sich zu zersetzen beginnen“, erklärt Adelung.  

Das Forschungs­team hofft, dass Kliniken sein multi­funktionales, steuerbares Pflaster langfristig selbst im 3D-Drucker herstellen und mit sehr hellen, grünen LEDs direkt an den Patientinnen und Patienten aktivieren können. „Per 3D-Druck lässt sich sowohl die Form des Pflasters als auch die Konzen­tration der Zinkoxidpartikel und die Proteinsorte individuell anpassen“, sagt Leonard Siebert, der an der CAU gerade seine Promotion zu innovativen 3D-Druck-Methoden abgeschlossen hat. Während eines mehrmonatigen Forschungs­aufenthalts an der renommierten Harvard Medical School in Boston arbeitete der Material­wissenschaftler in der Arbeitsgruppe von Su Ryon Shin, die medizinische Hydrogele mit speziellen Bio-3D-Druckern herstellt. „Unsere Partikel haben eine Tetrapoden­form, sie bestehen also aus mehreren Armen. Dadurch lassen sich zwar besonders viele unserer wichtigen Proteine auf ihnen anbringen, aber sie passen nicht durch herkömmliche Druckerdüsen“, beschreibt Siebert eine der Heraus­forderungen ihres Ansatzes. In Boston entwickelte er schließlich eine Methode, um die Zinkoxid­partikel aus seiner Kieler Arbeitsgruppe zusammen mit den Hydrogelen zu drucken. 

Außerdem arbeiteten die Kieler Forscher eng mit Helmut Fickenscher, Infektions­mediziner an der Uni Kiel und am Universitätsk­linikum Schleswig-Holstein, zusammen. Er und sein Team testeten die anti­bakterielle Wirkung des Pflasters: Für 72 Stunden legten sie es auf einen Bakterien­teppich und stellten fest, dass sich die Bakterien in einem Umkreis von mehreren Millimetern um das Pflaster nicht weiter ausbreiten. „Hierfür haben wir zwei typische Wundkeime verwendet, die sich in ihrem Aufbau grundlegend unterscheiden: Staphylo­coccus aureus und Pseudomonas aeruginosa. Das Pflaster zeigte bei beiden Grundtypen eine therapeutische Wirkung, was auf einen universalen Effekt schließen lässt”, fasst Gregor Maschkowitz, medizinischer Fach­mikrobiologe am UKSH zusammen. Weitere Tests an Lebend­modellen wurden am NBM Global Research Center for Rege­nerative Medicine der Dankook University, Südkorea, durchgeführt. Erste Ergebnisse weisen auch hier auf eine gute Verträg­lichkeit des Pflasters und eine verbessere Wundheilung hin.

„Dieses Pflaster ist ein spannendes Konzept für die personalisierte Medizin, um Menschen mit auf sie zugeschnittenen Therapien möglichst gezielt, effektiv und schonend zu behandeln. Es ist ein konkretes Beispiel für das vielver­sprechende Potential der Zusammenarbeit von Medizin und Material­wissenschaft, die künftig immer wichtiger werden wird“, sagt Fickenscher. Nachdem die ersten Tests gezeigt haben, dass ihr Konzept grundsätzlich gut funktioniert, wollen die Forschenden jetzt die Steuerung per Licht noch weiter verbessern, um Patientinnen und Patienten künftig eine effek­tivere persona­lisierte Wund­behandlung anbieten zu können. 

CAU Kiel / JOL

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