13.01.2017

Sommerhitze für den Winter

Thermische Speicher mit konzentrierter Natronlauge können langfristig Sonnenenergie speichern und wieder abgeben.

Von einer nachhaltigen Energieversorgung sind wir noch meilenweit entfernt: Im Jahr 2014 wurden etwa 71 Prozent aller Schweizer Privat­wohnungen mit fossilen Brennstoffen beheizt, auch 60 Prozent des privat verbrauchten Warm­wassers wird auf diese Weise erzeugt. Eine beträchtliche Menge fossiler Energie ließe sich also einsparen, wenn man Wärme aus sonnigen Sommer­tagen bis ins Winter­halbjahr speichern und dann wieder abrufen könnte. Nach mehreren Jahren Forschung gibt es seit Herbst 2016 an der Schweizer Empa eine Anlage im Labor­maßstab, die zuverlässig funktioniert und Wärme langfristig speichern kann. Doch der Weg dahin war lang.

Abb.: Benjamin Fumey an seiner Versuchsanlage im Empa-Labor. (Bild: Empa)

Die Theorie hinter dieser Art Wärmespeicher ist recht einfach: Gießt man in ein Becherglas mit festem Natriumhydroxid (NaOH) Wasser, dann wird die Mischung heiß. Die Verdünnungs­reaktion ist also exotherm: Chemische Energie wird in Form von Wärme frei. Natronlauge ist außerdem stark hygro­skopisch und kann Wasser­dampf einfangen. Die so gewonnene Kondensations­energie heizt die Natronlauge weiter auf.

Auch der umgekehrte Weg ist möglich: Führt man verdünnter Natronlauge Energie in Form von Wärme zu, dann verdampft das Wasser, die Natronlauge wird konzentriert und speichert auf diese Weise die ihr zugeführte Energie. Konzentrierte Natronlauge lässt sich über Monate, gar Jahre aufbewahren oder in Tanks zu einem gewünschten Ort transportieren. Bringt man sie mit Wasser (-dampf) in Kontakt, wird die gespeicherte Wärme wieder frei.

So weit die Theorie. Aber lässt sich das Becherglas-Experiment in einer Größen­ordnung wiederholen, die genügend Energie für ein Ein­familien­haus speichern kann? Die Empa-Forscher Robert Weber und Benjamin Fumey gingen im Rahmen des europäischen Wärme­speicher-Forschungsprojekts COMTES an die Arbeit. Als Versuchslabor diente ein isolierter See­fracht­container auf dem Empa-Areal in Dübendorf – eine Sicherheits­maßnahme, denn konzentrierte Natronlauge ist stark ätzend. Würde die Anlage undicht, dann sollte die aggressive Flüssigkeit lieber durch einen Container schwappen, anstatt durchs Labor­gebäude.

Leider funktionierte der Prototyp noch nicht wie erwartet. Die Forscher hatten auf einen so genannten Fall­film­verdampfer gesetzt – eine Anlage, wie sie etwa in der Lebens­mittel­industrie verwendet wird, um Orangensaft zu Konzentrat einzudicken. Doch die zäh­flüssige Natronlauge umfloss den Wärme­tauscher nicht richtig, sondern bildete dicke Tropfen. Die Natronlauge nahm zu wenig Wasser­dampf auf, und die übertragene Wärmemenge blieb zu gering.

Fumey hatte dann die rettende Idee: Das zähflüssige Speicher­medium müsste langsam und spiral­förmig entlang eines Rohrs hinab­fließen, auf dem Weg Wasser­dampf aufnehmen und die entstehende Hitze an das Rohr abgeben. Der umgekehrte Weg – das Aufladen des Mediums – sollte mit der gleichen Technik, nur andersherum funktionieren. Es klappte. Das Beste daran: Die spiral­förmigen Wärme­tauscher gibt es bereits ab Lager; es sind Wärme­tauscher aus handels­üblichen Durchlauf­erhitzern.

An der Laboranlage optimierte Fumey dann die Einsatzgrenzen: Welche Konzentrations­schwankungen sind für den Wirkungsgrad optimal? Welche Temperaturen soll das zu- und das ablaufende Wasser haben? Fürs Entladen des Speichers ist Wasserdampf mit einer Temperatur von 5 bis 10 Grad nötig. Solcher Dampf ließe sich etwa mit Wärme aus einer Erdsonde erzeugen. Dabei läuft 50-prozentige Natron­lauge außen über das Wärmetauscher-Spiralrohr nach unten und wird in der Wasser­dampf­atmosphäre auf 30 Prozent verdünnt. Dabei erhitzt sich das Heizungs­wasser im Inneren des Rohrs auf rund 50 Grad Celsius – es wäre also für eine Fußboden­heizung gut nutzbar.

Beim Wiederaufladen des Speichers sickert die 30-prozentige, „entladene” Natronlauge um das Spiralrohr herum nach unten. Im Inneren des Rohrs strömt 60 Grad heißes Wasser, welches zum Beispiel aus einem Solar­kollektor stammen kann. Das Wasser aus der Natronlauge verdunstet; der Wasserdampf wird abgezogen und kondensiert. Die Natronlauge, die den Wärme­tauscher nach dem Aufladen verlässt, ist wieder auf 50 Prozent aufkonzentriert, also mit Wärme­energie „geladen”.

„Auf diese Weise lässt sich Solarenergie in Form von chemischer Energie vom Sommer bis in den Winter speichern”, sagt Fumey. „Und nicht nur das: die gespeicherte Wärme kann in Form konzentrierter Natron­lauge auch an einen anderen Ort verfrachtet werden und ist dadurch flexibel einsetzbar.” Nun hat die Suche nach Industrie­partnern begonnen, die aus dem Labor­modell eine kompakte Hausanlage bauen helfen.

Empa / DE

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