07.09.2021 • Energie

Sonnenstrom genau bestimmen

Freiluftlabor reduziert Fehler bei Leistungsangaben von Photovoltaik-Anlagen.

Minimale Abweichungen sind okay. „Aber wenn wir einen Liter Milch kaufen“, sagt Bernd Hüttl, „erwarten wir auch einen Liter.“ Nicht ein Tässchen mehr oder weniger. Der Professor für erneuerbare Energien der Hochschule Coburg versteht, dass die Kundschaft es genau nimmt. „Und bei der Photovoltaik wollen die Kunden eben genau wissen, wie viel Strom eine Anlage produziert. Die Banken als Geldgeber wollen es wissen.“ Die Hersteller würden es also gern exakt angeben, aber das ist nicht ganz einfach: Elektrische Parameter können zwar im Labor präzise gemessen werden, aber draußen verändern Wind und Wetter ständig die Bedingungen. Um solche Einflüsse wissen­schaftlich zu untersuchen, betreibt die Hochschule Coburg ein Freiluft­labor auf dem Dach. Das Bundesforschungsministerium fördert das Projekt PV-FeldLab unter anderem mit dem Ziel, eine neue Messtechnik zu entwickeln.

 

Abb.: Bernd Hüttl leitet das Labor für Photovoltaik und solare...
Abb.: Bernd Hüttl leitet das Labor für Photovoltaik und solare Energie­wandlung der Hochschule Coburg. (Bild: S. Geistlinger / HS Coburg)

Das Leistungsverhalten und der Ertrag der Photovoltaik-Anlagen im Freifeld sollen damit genauso gut analysiert werden können wie im Labor. An dem Projekt arbeiten auch Studierende wie Tamara Beck mit: „Die natürliche Sonnen­strahlung besteht aus direkter, aber auch aus diffuser Strahlung“, erklärt sie. Diffuse Strahlung entsteht durch Streuung an Dunst oder Wolken. Sie dringt schlechter in die Solarmodule ein und reduziert etwas deren Wirkungsgrad, also die Effektivität. „Das muss bei Außen­messungen im Vergleich zu Laborbedingungen berücksichtigt werden.“

In ihrer Bachelorarbeit im Studiengang Energie­technik und erneuerbare Energien hat Beck analysiert, wie stark die Reduktion der Effizienz bei natürlicher Solar­strahlung tatsächlich ist. „Das wurde erstmals untersucht.“ Hüttl freut sich, dass die Studentin mit den Messergebnissen auf dem Hochschuldach einen mathematischen Faktor bestimmt hat: Er zeigt, wie sich bei klarem Himmel die Energie­ausbeute einer Photovoltaik­anlage durch die diffuse Strahlung reduziert – im Vergleich zur direkten Strahlung unter Laborbedingungen.

Becks Arbeit trägt zur exakten Kalibrierung der Photovoltaik­module bei und fließt in eine größere Arbeit der Hochschule Coburg ein: Darwin Daume baut das Gesamtsystem zur Messung der elektrischen Leistung von Photovoltaikk­raftwerken auf. Der Student hat bereits seinen Bachelor hier absolviert und schreibt nun seine Masterarbeit in Elektro- und Informationstechnik. Daume fügt verschiedene Methoden der Photovoltaik­analyse zu einem neuen Gesamtkonzept zusammen. Gemeinsam mit ihrem Professor präsentieren die Studierenden ihre Ergebnisse bei der EUPVSEC, der größten internationalen Photovoltaik-Konferenz Europas, die jedes Jahr im Herbst stattfindet.

„In diesem Jahr leider nicht in Lissabon, sondern nur online“, bedauert Hüttl. Er legt auch als Dekan der Fakultät Elektrotechnik und Informatik Wert darauf, dass die Studierenden möglichst viele, spannende Aspekte der Praxis kennen lernen. Im Oktober startet das neue Semester, und wie in den vielen anderen Studien­gängen können sich Interessenten für Elektro- und Informations­technik und für Energietechnik und Erneuerbare Energien im September noch bei der Hochschule Coburg bewerben. Tamara Beck fängt jetzt als Masterandin an. Darwin Daume arbeitet weiter am Messsystem.

„Die Genauigkeit der elektrischen Leistungs­bestimmungen hat sich ja schon deutlich verbessert“, sagt Hüttl. Als er 2008 anfing, sich mit Photovoltaik zu beschäftigen, wurde die Leistung mit plus-minus fünf Prozent angegeben. Bei der Photovoltaik konnte die Mess­unsicherheit inzwischen auf etwa 1,5 Prozent gesenkt werden. „Unser neues Mess­verfahren wird auch helfen, die Standardisierung von Freifeldmessungen weiter­zuentwickeln.“ Kommendes Jahr werde die neue Messmethode gemeinsam mit den Firmen IBC Solar und smart blue im Feld getestet. Alterungen und Fehler der Solarmodule sollen damit in Photovoltaik-Kraftwerken lokalisiert und Fehlertypen identifiziert werden, so dass die Betreiber eventuelle Ausfälle schnell erkennen oder sogar vorher vermeiden können.

HS Coburg / DE

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