26.03.2020 • Energie

Sonnenwärme aus der Fassade

Solarthermische Jalousien für nachhaltige Raumwärme entwickelt.

Etwa vierzig Prozent der Primärenergie in Deutschland werden heute für Raumwärme und Trinkwasser­erwärmung eingesetzt. Zu einem Gelingen der Wärmewende können Fassaden als „Wärmewände“ einen Beitrag liefern, der bislang wenig Beachtung gefunden hat. Ein Forschungskonsortium unter Leitung des Fraunhofer-Instituts für Solare Energiesysteme ISE in Freiburg hat im Projekt „ArKol“ zwei neuartige solarthermische Fassaden­kollektoren entwickelt, die archi­tektonisch ansprechend einen integralen Bestandteil der Fassade darstellen: einen Streifen­kollektor und eine solar­thermische Jalousie.

Abb.: Diese Lamellen der solar­thermischen Jalousie dienen als Absorber. Die...
Abb.: Diese Lamellen der solar­thermischen Jalousie dienen als Absorber. Die Wärme wird über Heat-Pipes und einen Aluminium­adapter an den Sammel­kanal abgeführt. (Bild: Fh.-ISE)

„Ziel des Projekts war, das große Flächenpotenzial von Fassaden für die Wärme­erzeugung zu nutzen und gleichzeitig Architekten mehr Gestaltungsfreiheit zu geben, denn ein Hemmnis für den breiten Einsatz von Solarthermie waren bislang die Vorbehalte poten­zieller Kunden gegenüber dem Erscheinungs­bild der Kollektoren. Zugleich sollte der Planungs­aufwand reduziert und eine vereinfachte Montage und Installation ermöglicht werden“, sagt Michael Hermann, Koordinator für Innovations­prozesse im Geschäfts­bereich Thermische Systeme und Gebäudetechnik am Fraunhofer ISE. 

Fassaden weisen gegenüber der klassischen Aufdach-Installation von Solar­thermie-Kollektoren eine Reihe von Vorteilen auf. So passt das Einstrahlungs­profil bei Heizungs­unterstützung der Innenräume besser zum tatsächlichen Energie­verbrauch: Im Winter, wenn die Sonne niedriger steht, wird die Fassade in einem günstigeren Winkel angestrahlt als das Dach und kann daher einen höheren Ertrag liefern. Im Sommer dagegen, wenn der Wärmebedarf deutlich geringer ist und sich im Wesentlichen auf die Trinkwasser­erwärmung beschränkt, unterliegen die Fassadenkollektoren einer geringeren Sonnen­einstrahlung. Sie erzeugen daher weniger überschüssige Wärme, was die Material­belastung von Kollektor und Fluid verringert und eine längere Lebensdauer ermöglicht. Im urbanen Raum mit hohen Gebäuden stehen zudem mehr Flächen an Fassaden als auf Dächern zur Verfügung – zumal diese oft auch für Fahrstuhl­schächte und andere technische Aufbauten benötigt werden. Für die effiziente und ästhetisch ansprechende Nutzung von Solar­thermie in Fassaden entwickelten die Forscher und ihre Industrie­partner Konzepte und erste Demons­tratoren für transparente und opake Gebäude­hüllen.

Das Gewinnen von solarer Wärme an trans­parenten Gebäude­bereichen ist mit herkömmlichen Kollektoren bisher nicht oder nur unter Einschränkung der Transparenz möglich. Gleichzeitig werden in verglasten Fassaden von Hochhäusern häufig Jalousien zwischen Glasscheiben in Doppel­fassaden eingesetzt. Durch die Sonnen­einstrahlung treten Temperaturen bis zu einhundert Grad Celsius in diesem Zwischen­raum auf. Die solar­thermische Jalousie kann diese überschüssige Wärme wie ein solar­thermischer Kollektor abführen und bietet gleichzeitig die volle Beweglichkeit und Funktionalität eines Lamellen-Sonnen­schutzes. Somit kann die solar­thermische Jalousie bei Bedarf komplett gerafft werden und bietet dann volle Transparenz. Durch das Abführen der Wärme kann im Sommer zudem die Kühllast des Gebäudes verringert werden, was den Energiebedarf zusätzlich senkt.

Dazu werden Wärmerohre (Heat-Pipes) in die Lamellen integriert, um die Wärme der als Absorber dienenden Lamellen über eine schaltbare thermische Kopplung trocken, ohne Flüssig­keitstransfer, an einen seitlichen Sammelkanal zu übergeben. Dank dieses Wärmeübertragungs­konzepts können die Lamellen durch einfaches Lösen des Kontakts wie herkömmliche Jalousien bewegt werden. Die Jalousie ist vor allem für Doppelfassaden geeignet, deren Zwischenraum einen guten Witterungs­schutz bietet. „Die solar­thermische Jalousie kann als multi­funktionales Fassaden­element für ein angenehmes Raumklima und guten Blendschutz sorgen und gleichzeitig den Energiebedarf für Warmwasser­bereitung und Klima­tisierung verringern“, erklärt Projektleiter Simon Häringer.

Der ebenfalls im Projekt entwickelte Streifen­kollektor bietet gegenüber klassischen Solarkollektor­bauarten ein hohes Maß an Flexibilität hinsichtlich Größe, Farbe, Abstand, Anzahl und Ausrichtung und stellt damit ein gestalterisch attraktives Bauelement dar. Die streifenförmige Kollektor­konstruktion kann in unter­schiedlichen Längen ausgeführt und stufenlos auf der Unter­konstruktion positioniert werden. Die Bereiche zwischen den einzelnen Kollektor­streifen können mit üblichen Fassaden­bekleidungs­materialien in beliebiger Höhe ergänzt werden. Technisch möglich wird dies dadurch, dass die Wärme, die durch Sonnen­einstrahlung auf dem spektralselektiv beschichteten Absorber im Kollektor entsteht, durch Wärmerohre zur Seite transportiert und dort trocken an den Sammelkanal übertragen wird. Da nur der Sammelkanal von einem Solarfluid durchströmt wird, benötigen die einzelnen Kollektoren keinen hydrau­lischen Anschluss. 

Die Kollektoren werden in die Unter­konstruktion einer vorgehängten hinterlüfteten Fassade mit marktüblichen Agraffen eingehängt. Dieses Konzept ist sowohl an Neubauten als auch im Rahmen einer Sanierung umsetzbar. „Diese Plug&Play-Lösung erleichtert die Abstimmung der Gewerke im Bauprozess und schafft klare Schnittstellen für Installation und Haftung. Auch die vereinfachte Hydraulik­planung erleichtert Fassaden­bauern, Stuckateuren und Malern die Umsetzung“, erklärt Katharina Morawietz, Teilprojekt­leiterin Streifen­kollektor. Diese Vorteile während der Montage und die großen Gestaltungs­möglichkeiten werden in der Umsetzung einer ersten Demonstratorfassade bei DAW gut sichtbar.

Für die erfolg­reiche Entwicklung der vom Fraunhofer ISE vorge­schlagenen Fassaden­kollektor­konzepte bis hin zur Praxis­tauglichkeit war die inter­disziplinäre Zusammenarbeit entscheidend. Kompetenzen und Erfahrungen aus der Solar- und Baubranche – von der Fassaden­planung über die Komponenten­entwicklung bis zur Montage und Installation durch das Handwerk – kamen dafür zusammen. Die Schwerpunkte lagen dabei neben der Gesamt­koordination insbesondere in der Charak­terisierung und Entwicklung von Heat-Pipes, der solar­thermischen Auslegung, der konstruktiven Umsetzung, dem Musterbau und der Vermessung. Die Streifen­kollektoren für die Demonstrations­fassade wurden von der Firma Wagner Solar gefertigt.

Fh.-ISE / JOL

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