Sonnenwärme in Beton speichern
Mit Kanälen durchzogene Bauteile dienen als solarthermische Kollektoren.
Bei der Integration erneuerbarer Energien in die Gebäudehülle kann Solarthermie eine wesentliche Rolle spielen. Bislang basieren solarthermische Produkte in der Regel auf durchströmten Bauteilen aus Metall, die einen hohen Anteil der Solarstrahlung aufnehmen und zur Vermeidung thermischer Verluste wenig Infrarotstrahlung abgeben. Mit diesem Stand der Technik wird der Gebäudeintegration und architektonischen Aspekten jedoch oft wenig Rechnung getragen. Im Projekt TABSOLAR II verfolgt das Fraunhofer ISE gemeinsam mit Industriepartnern den neuartigen Ansatz, solarthermische Kollektoren aus Ultrahochleistungsbeton herzustellen.
Abb.: Sonnenwärme speicherndes Element aus Ultrahochleistungsbeton (UHPC), das im Membran-Vakuumtiefziehverfahren hergestellt wurde. (Bild:G.tecz Engineering GmbH)
Im Projekt TABSOLAR II forscht das Fraunhofer ISE gemeinsam mit fünf Partnern aus Industrie und Forschung daran, auf Basis durchströmter Bauelemente aus Ultrahochleistungsbeton (UHPC) ressourcen- und kosteneffiziente Produkte zu entwickeln, die in der Fassade verbaut werden und so Gebäudehüllen für den Einsatz erneuerbarer Energien nutzbar machen. Für die neuartigen Bauteile wurden spezielle Rezepturen entwickelt. Aus diesem können sehr filigrane, materialsparende und gleichzeitig hochfeste Betonfertigbauteile gegossen werden. Die Kanalstrukturen der UHPC-Kollektoren werden im vom Fraunhofer ISE entwickelten und patentierten bionischen FracTherm-Verfahren realisiert. Dieses erzeugt auf Basis eines Algorithmus mehrfach verzweigte Strukturen wie etwa in Blättern. Mit dem Verfahren können nahezu beliebige Formen mit einem gleichmäßig durchströmten Kanalnetzwerk versehen werden. Es wurde bereits in anderen Konzepten und Fertigungsverfahren für Solarabsorber oder für die Kühlung von Werkzeugen erfolgreich eingesetzt.
„Nachdem wir in einem ersten Projekt ein Herstellungsverfahren für UHPC-Kollektoren im Labormaßstab entwickelt haben, verfolgen wir nun die notwendigen Schritte in Hinblick auf spätere Produkte“, so Michael Hermann, zuständiger Projektleiter und Koordinator Innovationsprozesse Wärme- und Kältetechnik. „In TABSOLAR II liegt unser Fokus auf der Fassadenanwendung von UHPC-Kollektoren.“ Die Fraunhofer-Forscher und ihre Projektpartner konzentrieren sich aktuell auf zwei wesentliche Aspekte. Zum einen ist es Ziel, das vom Fraunhofer ISE entwickelte und erprobte Membran-Vakuumtiefziehverfahren (MVT-Verfahren) auf praxistaugliche Größen zu skalieren und auf produktionsnahen Anlagen zu realisieren. Bei diesem Verfahren werden die Außenkonturen der späteren Fluidkanäle in einen Werkzeugblock gefräst. Der Block wird mit Bohrungen versehen und mit einer Membran überdeckt. Im Vakuum wird dann eine Halbschale des UHPC-Bauteils tiefgezogen und noch vor Aushärtung mit einer Platte aus frischem UHPC zusammengebracht. Die Herstellung von Bauelementen im MVT-Verfahren wurde für kleinere Formate bereits erfolgreich im Labor umgesetzt. Jetzt geht es darum, für die Baubranche praxistaugliche Formate zu realisieren.
Zum anderen verfolgt das Projektteam das Ziel, je nach Anforderungen der Zielmärkte für UHPC-Kollektoren unterschiedliche Ausführungen anzubieten. Die Ausführung TABSOLAR Premium soll mit einer spektralselektiven Beschichtung sowie Antireflexglas versehen und hinsichtlich Effizienz mit marktgängigen Solarkollektoren vergleichbar werden. TABSOLAR Economy steht für lackierte oder durchgefärbte UHPC-Kollektoren mit Low-E-Verglasung und etwas geringeren Erträgen. In der Kategorie TABSOLAR Design liegt der Fokus auf der gestalterischen Ausführung. Diese Kollektoren sind unverglast und können mit verschiedensten Strukturen und Farben versehen werden. Die ersten beiden Kategorien werden für direkte solare Anwendungen, etwa zur Trinkwarmwasserbereitung oder für die Nutzung in Solar-Kombisystemen, konzipiert. Die dritte Kategorie zeichnet sich durch vielfältige architektonische Gestaltungsmöglichkeiten aus. Da sie deutlich geringere Temperaturniveaus und Wirkungsgrade erreicht, ist sie als Niedertemperatur-Wärmequelle für Wärmepumpen geeignet. „Für alle drei Kollektorvarianten werden Systemsimulationen, Wirtschaftlichkeitsberechnungen und Lebenszyklusbetrachtungen durchgeführt“, so Hermann. „Nur so können diese für die spätere Integration in die Gebäudehülle von uns optimiert und zielgerichtet zu einem wettbewerbsfähigen Produkt auf dem Markt weiterentwickelt werden.“
Um die späteren Produkte für Fachleute, Architekten oder Installateure zu veranschaulichen, soll zum Projektende ein Demonstrationsgebäude entstehen, dessen Fassade UHPC-Fertigelemente enthält. Das Anschauungsobjekt soll mit einfacher Messtechnik ausgestattet sein und so eine Visualisierung des thermischen Verhaltens der Elemente ermöglichen. „Ein Demogebäude im realen Betrieb liefert uns wichtige Erkenntnisse für die Weiterentwicklung der Produktkategorien“, so Hermann. „Außerdem gibt es uns die Möglichkeit, unsere Ergebnisse vor Ort zu präsentieren und direkte Reaktionen von potenziellen Interessenten einzuholen.“ Die beteiligten Partner möchten das Demogebäude auch nutzen, um erste Anwendungen von UHPC-Bauelementen im Innenraum zu evaluieren und damit weitere Potenziale der entwickelten Technologie aufzuzeigen.
ISE / JOL