29.05.2015

Spalter der Linien

Zum 150. Geburtstag des Pioniers der Magneto-Optik, Pieter Zeeman.

Den Physik-Nobelpreis des Jahres 1902 teilten sich zwei Niederländer, ein Professor und sein ehemaliger Doktorand: Hendrik Antoon Lorentz und Pieter Zeeman wurden für ihre Arbeiten zur Aufspaltung von Spektrallinien im Magnetfeld gewürdigt. Zeeman hatte das später nach ihm benannte Phänomen erst sechs Jahre zuvor entdeckt. Seine Erklärung durch die Lorentzsche Elektronentheorie war zum Zeitpunkt der Preisvergabe aber nur für einen Teil der Spektren, den normalen Zeeman-Effekt, befriedigend. Vollständig verstanden wurde der vielfältige „Zeeman-Zoo“ erst in den 1920er-Jahren durch die Quantentheorie und die Einführung des Elektronenspins.

Albert Einstein (Mitte) und Paul Ehrenfest (rechts) besuchten Pieter Zeeman 1920 in seinem Labor in Amsterdam.


Der am 25. Mai 1865 auf der Insel Schouwen in Zeeland geborene Pieter Zemann begeisterte sich schon früh für Naturwissenschaften. Als Schüler sandte er präzise Zeichnung und Beschreibung eines damals sichtbaren Polarlichts an die Zeitschrift „Nature“. Der Herausgeber pries die sorgfältigen Beobachtungen von „Professor Zeeman in seinem Observatorium“. Nach seinem Schulabschluss nahm Zeeman 1885 sein Physik-Studium an der Universität Leiden bei Kammerlingh Onnes und H. A. Lorentz auf.

Seine Leidenschaft für das Experimentieren konnte Zeeman ausleben, als er 1890 zu Lorentz Assistenten ernannt wurde. 1893 promovierte er über den Kerr-Effekt und fand damit den Einstieg in sein wichtigstes Forschungsgebiet, die Magneto-Optik. Bereits 1876 hatte John Kerr festgestellt, dass die Polarisationsebene des Lichts sich bei der Reflexion am Pol eines Elektromagneten dreht. Während seiner Doktorarbeit blieben die Versuche, einen solchen Effekt experimentell nachzuweisen, jedoch vergeblich.

Als Pivatdozent in Leiden stieß er 1895 zufällig in einer Studie Maxwells über Michael Faraday auf einen der letzten Versuche des großen englischen Experimentators: Er hatte 1862 das Licht einer Kerzenflamme einem Elektromagneten ausgesetzt und spektroskopisch untersucht – allerdings ohne Ergebnis. Anfang 1896 wiederholte Zeeman das Experiment, ebenfalls ohne einen Effekt zu entdecken.

Doch im Laufe des Jahres verbesserten sich die experimentellen Möglichkeiten, als das Leidener Labor ein hoch auflösendes Rowland-Konkav-Beugungsgitter mit einer zehnfach höheren Auflösung anschaffte. Zeeman untersuchte leuchtenden Natriumdampf im Magnetfeld des damals stärksten verfügbaren Rühmkorffschen Elektromagneten und hatte Erfolg: Er fand eine Verbreiterung der Natrium-D-Doppellinie. Wenig später untersuchte er auf Anregung von Lorentz auch die Polarisation der äußeren Ränder der Spektrallinien und konnte die Vorhersagen der Lorentz-Theorie bestätigen. Lorentz ging damals noch davon aus, dass der Ursprung der Spektrallinien schwingende elektrisch geladene Teilchen waren, die er „Ionen“ nannte. Unter dem Einfluss eines Magnetfeldes sollte sich das Spektrum laut dieser Theorie nicht nur verbreitern, sondern in ein Triplett aufspalten.

Die vorhergesagte Aufspaltung konnte Zeeman zunächst nicht nachweisen. Als er aber die besonders feine blaugrüne Kadmiumlinie in einem starken Magnetfeld untersuchte, glaubte er das Triplett zu sehen. Diese Linie spaltet aber in ein Sextett auf, das bei geringer Auflösung als ein Quartett erscheint. Zeeman interpretierte die vierte Linie aber weg. Für den Wissenschaftshistoriker Klaus Hentschel ist dies „ein gutes Beispiel für die Theoriebeladenheit von Erfahrung, die eben auch dem versiertesten Experimentator einen Streich spielen kann“.

Ein Vierteljahrhundert später fassten Arnold Sommerfeld und Ernst Back in der Zeitschrift „Die Naturwissenschaften“ die Bedeutung des Zeeman-Effekts für die damalige Physik zusammen: Aus dem Drehsinn des zirkularen Lichts der Spektrallinien hatte man erstens folgern können, dass das in der Flamme schwingende Agens eine negative Ladung haben musste. Zweitens ließ sich aus der Linienverschiebung dessen Masse bestimmen und diese erlaubte wiederum eine Gleichsetzung der Lorentzschen „Ionen“ mit den von J.J. Thomson und Philipp Lenard untersuchten Kathodenstrahlen. Dass zwei verschiedene Forschungsstränge auf die Existenz des Elektrons als neues Elementarteilchen hinwiesen, verstärkte das Vertrauen der damaligen Physiker in die Hypothese.

Der niederländische Wissenschaftshistoriker Anne Kox würdigt Pieter Zeemans Leben und Forschung ausführlicher in seinem Artikel im Juni-Heft des Physik Journals.

Anne Hardy

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