Sparsam und flexibel
Komplementäre Schaltkreise aus organischen Materialien zeichnen sich durch kleine Versorgungsspannungen und eine geringe Leistungsaufnahme aus.
Komplementäre Schaltkreise aus organischen Materialien zeichnen sich durch kleine Versorgungsspannungen und eine geringe Leistungsaufnahme aus.
Ein Flachbildschirm, der sich aufrollen und in die Jackentasche stecken lässt – organische Transistoren mit niedrigem Energieverbrauch könnten das möglich machen. Wissenschaftler des Stuttgarter Max-Planck-Instituts für Festkörperforschung und der Universitäten Stuttgart und Erlangen haben jetzt komplementäre Schaltkreise aus organischen Transistoren aufgebaut, die sich durch kleine Versorgungsspannungen und geringe Leistungsaufnahme auszeichnen. Diese energiesparenden elektronischen Bauteile bestehen aus zwei unterschiedlichen Transistortypen. Die neuen organischen Elektronikbauteile lassen sich mit deutlich niedrigeren Spannungen betreiben als bisher bekannte organische Schaltkreise – Spannungen, wie sie gewöhnliche Haushaltsbatterien von 1,5 bis 3 Volt liefern.
Abb.: Das Schaltbild und die Photographie eines komplementären Inverters aus jeweils einem p- und n-Kanal Dünnfilmtransistor (thin-film transistor, TFT), also einem Transistor dessen Halbleiterschicht entweder p- oder n-leitend ist. Eine solche komplementäre Schaltung spart Energie, weil in jedem der beiden logischen Zustände - das heißt entweder hohe Eingangsspannung und niedrige Ausgangsspannung oder das Gegenteil – jeweils einer der beiden Transistoren (p- oder n-Kanal) den Stromfluss sperrt. Diese Energieeinsparung ist ein wichtiger Vorteil komplementärer Schaltungen gegenüber unipolaren Schaltungen, die nur aus p-Kanal-Transistoren oder nur aus n-Kanal-Transistoren bestehen. (Bild: Max-Planck-Institut für Festkörperforschung)
Transistoren aus organischen Materialien haben gegenüber üblichen Silizium-Transistoren einen Vorteil. Sie lassen sich auch auf flexiblen Oberflächen, wie etwa Kunststofffolien, aufbauen – für tragbare und mobile Geräte wären organische Schaltkreise somit ideal. Die organischen Transistoren hatten bislang allerdings auch einen großen Nachteil: Sie verbrauchten zu viel Energie. Nun haben Wissenschaftler energiesparende organische Schaltungen konstruiert.
Dazu nutzten sie zwei Prinzipien: Zum einen verwendeten sie für den Transistor selbstorganisierende organische Monoschichten als Isolator. Als solche Schicht lagern sich bestimmte organische Verbindungen unter speziellen Bedingungen auf einem oberflächenaktiven Substrat an. Die Schicht besteht nur aus einer Lage der organischen Moleküle, ist also weniger als 3 nm dick. Eine solche Monoschicht senkt die Betriebsspannung des Transistors, da diese direkt von der Dicke des Isolators abhängt. Zum anderen verknüpften die Wissenschaftler p-Kanal-Transistoren und n-Kanal-Transistoren zu komplementären Schaltkreisen. Bisher wurden organische Schaltkreise meist in Form unipolarer Schaltungen realisiert, die nur aus Transistoren eines Typs (entweder p-Kanal oder n-Kanal) bestehen. In einem solchen unipolaren Schaltkreis fließt ständig ein unerwünschter Querstrom, während bei der komplementären Bauweise jeweils einer der beiden Transistoren den Stromfluss sperrt – eine Möglichkeit, um Energie zu sparen. Hagen Klauk vom Max-Planck-Institut für Festkörperforschung sagt: „Komplementäre Schaltungen sind in der Siliziumtechnologie seit 25 Jahren Standard. Wir glauben, dass auch die organische Elektronik von den Vorteilen komplementärer Schaltungstechnik profitieren kann. Und durch die Kombination mit selbstorganisierenden organischen Monoschichten konnten wir die Versorgungsspannung auf das Niveau kleiner Batterien senken.“
Die Wissenschaftler stellten dazu organische Feldeffekttransistoren auf einem Glassubstrat her. Ein Feldeffekttransistor hat drei Anschlüsse – Gate, Source und Drain. Abhängig von der Spannung am Gate fließt von der Source- zur Drain-Elektrode ein Strom durch den Ladungsträgerkanal, der im Halbleiter gebildet wird. Als Halbleiterschicht verwenden die Wissenschaftler die luftstabilen organischen Verbindungen Pentacen und Hexadecafluoro-Kupferphthalocyanin. Zwischen dem Gate und der Halbleiterschicht befindet sich ein Isolator, in diesem Fall eine sehr dünne selbstorganisierende Monoschicht. Für die Gate-Elektrode setzen die Wissenschaftler Aluminium ein. Indem sie Aluminium in einem definierten Muster auf das Glassubstrat aufbrachten, konnten sie eine große Anzahl von Transistoren gleichzeitig realisieren – das ermöglichte die Konstruktion komplementärer Schaltkreise.
Die Forscher stellten unterschiedliche elektronische Schaltkreise her, nämlich komplementäre Inverter, NAND-Gatter und Ringoszillatoren. Und was besonders wichtig ist: Die verwendeten Materialien erlauben es, die Transistoren und Schaltungen bei Temperaturen bis maximal 90 Grad Celsius herzustellen. Eine solche für Elektronik-Bauteile relativ niedrige Temperatur ist nötig, falls man auf flexible und transparente Kunststoffe als Substrat umsteigen will. Die Wissenschaftler demonstrierten, dass sich ihre Methode auch dafür eignet: Sie verwendeten den Kunststoff Polyethylennaphtalat (PEN), um darauf solche Transistoren aufzubauen. Hagen Klauk erläutert, warum das von Vorteil wäre: „Silizium-Transistoren benötigen ein Substrat, das die hohen Temperaturen bei der Herstellung des Transistors verträgt. Demgegenüber können organische Transistoren bei Temperaturen unter 100 Grad Celsius hergestellt werden – man kann also Kunststoffe als Substrat verwenden. Diese sind flexibel und dennoch widerstandsfähig.“ Organische komplementäre Schaltkreise könnten somit überall dort zum Einsatz kommen, wo Produkte gleichzeitig robust und mobil sein sollen -zum Beispiel in einem tragbaren, batteriebetriebenen Flachbildschirm.
Quelle: MPG/[CR]
Weitere Infos:
- Originalveröffentlichung:
Hagen Klauk, Ute Zschieschang, Jens Pflaum, Marcus Halik, Ultralow-power organic complementary circuits, Nature 445, 745 (2007).
http://dx.doi.org/10.1038/nature05533 - Max-Planck-Gesellschaft zur Förderung der Wissenschaften e.V.:
http://www.mpg.de - Max-Planck-Institut für Festkörperforschung, Stuttgart:
http://www.fkf.mpg.de