Spektroskopie mit Antiwasserstoff
Lang erwartete Experimente am Cern haben erste Ergebnisse gebracht.
Jedes Elementarteilchen besitzt ein Antiteilchen, das ihm perfekt gleicht und sich von ihm allenfalls durch seine entgegengesetzte elektrische Ladung unterscheidet. Trotz dieser Gleichwertigkeit enthält das Universum fast nur Materie. Die Entstehung dieser kosmischen Asymmetrie ist eines der großen Rätsel der Physik, zu dessen Lösung das Alpha-Experiment am Cern betragen könnte, das die spektroskopischen Eigenschaften von Antiwasserstoff mit hoher Präzision untersuchen soll. Jetzt haben die Alpha-Forscher die ersten Ergebnisse vorgelegt.
Abb.: Im Herzstück des Alpha-Experiments hält eine Penning-Falle (gelb) die Atome fest, während Mikrowellen sie anregen. Die bei Resonanz entweichenden Atome weist ein Annihilationsdetektor (violett) nach. (Bild: Alpha Coll. / Nature)
Im Spektrum des Wasserstoffatoms hat man einige Übergangsfrequenzen mit extremer Genauigkeit gemessen. So ist die Frequenz des 1s-2s-Übergangs bis zu einer Präzision von 10-15 bekannt. Nun will man solch genaue Messungen auch für das Antiwasserstoffatom durchführen. Ein Vergleich der Frequenzen von Wasserstoff und Antiwasserstoff soll dann zeigen, ob ein geringfügiger Unterschied zwischen Materie und Antimaterie besteht. Der Nachweis einer solchen Differenz wäre eine Sensation, da man aufgrund des fundamentalen CPT-Theorems keinen Unterschied erwartet.
Ein Antiwasserstoffatom besitzt ein negativ geladenes Antiproton als Kern, der von einem positiv geladenen Positron umgeben ist. Die Positronen, die in großer Zahl beim Betazerfall bestimmter Atomkerne wie Natrium-22 entstehen, fängt man in einer Falle mit elektrischen und magnetischen Feldern ein und kühlt sie durch Kollisionen mit Stickstoffmolekülen, wobei es gelegentlich zu Paarvernichtungen mit den Elektronen des Kühlgases kommt. Auf diese Weise entsteht eine kleine, kalte Wolke aus vielen Millionen.
Wesentlich schwieriger ist es, Antiprotonen herzustellen. Dazu haben die Alpha-Forscher einen intensiven Strahl von Protonen mit einer Energie von 26 GeV auf ein Target gerichtet und die beim Aufprall durch Paarerzeugung entstehenden Antiprotonen mit Hilfe von elektrischen und magnetischen Feldern von den Protonen getrennt. Anschließend wurden die schnell fliegenden Antiprotonen abgebremst und in einer Penning-Falle gefangen, deren elektrische und magnetische Felder sie festhielten. Durch Verdampfungskühlung entstand eine 100 K kalte Wolke aus etwa 20.000 Antiprotonen.
Dann führten die Forscher die Antiprotonen und die Positronen zusammen, sodass etwa 6000 Antiwasserstoffatome entstanden, die sie mit der Falle festzuhalten versuchten. Allerdings hatte jeweils nur etwa ein Atom zufällig eine so kleine Bewegungsenergie, dass es in der Falle blieb. Im vergangenen Jahr war es den Forschern auf diese Weise gelungen, einzelne Antiwasserstoffatome bis zu 1000 Sekunden lang in der Falle festzuhalten. Inzwischen haben die Wissenschaftler ihr Experiment so verändert, dass sie spektroskopische Untersuchungen mit den Atomen durchführen können.
Dazu wurden die Antiwasserstoffatome einem Magnetfeld von zirka einem Tesla ausgesetzt, sodass sich die Hyperfeinstruktur des atomaren Grundzustandes durch Energieunterschiede bemerkbar machte. Die höchste Energie hatte der Zustand (↓↓), bei dem die Spins des Positrons und des Antiprotons beide gegen die Feldrichtung zeigten. Wurde der Spin des Antiprotons umgedreht (↓↑), so verringerte sich die Energie des Atoms nur geringfügig. Viel stärker war die Energieabnahme, wenn beide Spins „flippten“ (↑↑). Noch etwas kleiner war die Energie des Zustands (↑↓). Während die beiden Zustände (↓↓) und (↓↑) in der Falle verbliebenen, entwichen ihr die Zustände mit umgedrehtem Positronspin (↑↑) und (↑↓).
Die Forscher setzten die in der Falle gefangenen Atome einem Mikrowellenfeld von variabler Frequenz aus und schauten nach, bei welcher Frequenz Resonanz auftrat und der Positronspin für die beiden Zustände (↓↓) und (↓↑) umdrehte. Sobald das geschah, entwich das Atom der Falle und sein Antiproton zerstrahlte beim Zusammenstoß mit einem Proton, was umgebende Detektoren registrierten. Neben diesem direkten Nachweis der Resonanz führten die Forscher auch einen indirekten Nachweis durch. Dazu überprüften sie, ob nach der Mikrowelleneinstrahlung noch ein Atom in der Falle blieb, indem sie sie abschalteten und auf ein Zerstrahlungssignal warteten.
Auf diese Weise konnten die Forscher die Übergangsfrequenzen zwischen den Zuständen (↓↓) und (↑↓) bzw. (↓↑) und (↑↑) ermitteln, die allerdings von der Magnetfeldstärke abhingen. Feldunabhängig war hingegen die Differenz der beiden Frequenzen, also die Hyperfeinstrukturaufspaltung. Im Rahmen der allerdings noch nicht sehr großen Messgenauigkeit von 4×10-3 stimmt sie mit der Hyperfeinstrukturaufspaltung des Wasserstoffs überein, die 1420,4 MHz beträgt. Die Forscher sind zuversichtlich, dass sie mit dem Alpha-Experiment nun auch Präzisionsspektroskopie am Antiwasserstoffatom durchführen können. Bisher wurde die Gültigkeit des CPT-Theorems durch Messung des magnetischen Moments des Antiprotons mit einer Genauigkeit von 10-8 bestätigt. Das lässt sich vielleicht schon bald durch spektroskopische Messungen übertreffen.
Rainer Scharf
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