29.03.2016

Spin-Autobahn auf Graphen-Nanobändern

Mit atomarer Genauigkeit geformte Nanobänder besitzen zwei voneinander unabhängige Spin-Kanäle.

Forschern der Empa (Eidgenössische Material­prüfungs- und Forschungs­anstalt), des Max-Planck-Instituts für Polymer­forschung in Mainz und der TU Dresden ist es erstmals gelungen, aus Molekülen Graphen-Nanobänder mit perfektem Zickzack­rand herzustellen. Die Atome der Ränder verfügen über Elektronen mit unterschiedlichem (und gekoppeltem) Spin. Dieser könnte Graphen-Nano­bänder zum Werkstoff der Wahl für eine Elektronik der Zukunft machen, die so genannte Spin­tronik. Weil elektronische Bauteile immer kleiner werden, stößt die Industrie mit dem traditionellen Silizium als Halb­leiter­material allmählich an ihre Grenzen. Graphen, der Stoff mit etlichen besonderen Eigenschaften, gilt als möglicher Ersatz.

Abb.: Rasterkraftmikrosopie-Aufnahme der atomaren Struktur eines Zickzack-Graphen-Nanobandes (Bild: Empa)

Um Graphen indes für elektronische Bauteile wie Feld­effekt-Transistoren nutzen zu können, muss das Material in einen Halbleiter „verwandelt” werden; dies gelang Empa-Wissenschaftler vor einiger Zeit mit Hilfe einer neu entwickelten Methode: 2010 stellten sie erstmals nur wenige Nanometer breite Graphen-Nanobänder (graphene nanoribbons, GNR) mit präzis geformten Rändern her. Dazu ließen sie die Bänder auf einer Metall­ober­fläche gezielt aus ausgewählten Vorläufer­molekülen wachsen. Je schmaler die Bänder, desto größer war deren elektronische Band­lücke – also der Energie­bereich, in dem sich keine Elektronen befinden können, und der dafür verantwortlich ist, dass ein elektronischer Schalter (z.B. ein Transistor) ein- bzw. ausgeschaltet werden kann. Es gelang den Forschern in der Folge auch, die Nanobänder zu dotieren, d.h. an bestimmten Stellen mit Fremd­atomen wie Stickstoff zu versehen, um die elektronischen Eigenschaften der Graphen­bänder noch weiter zu beeinflussen.

Nun berichtet das Empa-Team um Roman Fasel zusammen mit Kollegen vom Max-Planck-Institut für Polymer­forschung in Mainz unter der Leitung von Klaus Müllen und von der TU Dresden um Xinliang Feng, wie sie aus geeigneten Kohlenstoff-Vorläufer­molekülen und dank perfektioniertem Herstellungs­prozess GNR mit perfekt zickzack­förmigen Rändern synthetisierten, die einer ganz bestimmten Geometrie entlang der Längs­achse des Bandes folgen. Das ist ein wichtiger Schritt, denn durch die Geometrie der Bänder und vor allem durch die Struktur deren Ränder können die Forscher den Graphen­bändern unterschiedliche Eigenschafen verleihen.

Wie beim Fliesenlegen mussten für das „Muster” des Zickzack-Graphen­bandes vorgängig die richtigen Fliesen bzw. Vorläufer­moleküle für die Synthese an der Oberfläche gefunden werden. Anders als in der organischen Chemie, die auf dem Weg zu einer reinen Substanz auch Nebenprodukte in Kauf nimmt, muss bei der Oberflächen-Synthese der Graphen­bänder alles so angelegt sein, dass nur ein einziges Produkt entsteht. Wiederholt wechselten die Wissenschaftler zwischen Computer­simulation und Experiment hin und her, um den bestmöglichen Synthese­weg zu entwerfen. Mit Molekülen in U-Form, die sie zu einer Schlangen­linie zusammen­wachsen ließen, und zusätzlichen Methyl­gruppen, die die Zickzack­ränder vervoll­ständigten, gelang es den Forschern schließlich, einen „Bauplan” für GNR mit perfektem Zickzack­rand zu erstellen. Dass die Zickzack­ränder aufs Atom genau stimmten, überprüften die Forscher, indem sie die atomare Struktur mit dem Raster­kraft­mikroskop untersuchten. Darüber hinaus gelang es ihnen, die elektronischen Zustände der Zickzack­ränder mittels Raster­tunnel­spektroskopie zu charakterisieren.

Und genau diese zeigen eine vielversprechende Besonderheit. Das Spezielle an den Zickzack-GNR: Entlang der beiden Ränder richten sich die Elektronen­spins jeweils alle gleich aus; ein Effekt, den man als ferro­magnetische Kopplung bezeichnet. Gleichzeitig sorgt die anti­ferro­magnetische Kopplung dafür, dass sich die Elektronen­spins an gegen­über­liegenden Rändern umgekehrt ausrichten. An einem Rand des Bandes befinden sich die Elektronen also alle im „spin-up”-, am anderen im „spin-down”-Zustand.

So lassen sich an den Bandrändern zwei voneinander unabhängige Spin-Kanäle mit unterschiedlicher „Fahrt­richtung” erschließen, ähnlich einer Autobahn mit getrennten Fahr­bahnen. Über gezielt eingebaute strukturelle Defekte an den Rändern oder – etwas eleganter – über ein elektrisches, magnetisches oder optisches Signal von außen sollten sich so beispielsweise Spin-Barrieren und -Filter entwerfen lassen, die nur noch zum An- und Abschalten Energie benötigen – die Vorstufe eines nano­skaligen – und extrem energie­effizienten – Transistors.

Möglichkeiten wie diese machen GNR für spintronische Anwendungen bzw. Bau­elemente extrem interessant; diese nutzen sowohl die Ladung als auch den Spin der Elektronen. Aus dieser Kombination versprechen sich Forscher völlig neuartige Komponenten, etwa adressier­bare magnetische Daten­speicher, die eingespeiste Informationen auch nach dem Abschalten des Stroms noch beibehalten.

Empa / DE

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