Spin-Ströme aus erhitzten Magnetstreifen
Physiker entdecken neuen Spin-Seebeck-Effekt, der für neue Thermosensoren und schnelle Schaltkreise genutzt werden könnte.
Physiker entdecken neuen Spin-Seebeck-Effekt, der für neue Thermosensoren und schnelle Schaltkreise genutzt werden könnte
Yokohama (Japan) – Nicht nur mit elektrischen Ladungen, auch mit den beiden verschiedenen Ausrichtungen des Spins von Elektronen lässt sich im Prinzip rechnen. Für solche Spintronik-Module muss man jedoch stabile Spinströme erzeugen und kontrollieren können. Japanische Physiker schafften dies mit hauchdünnen, teilweise erwärmten Magnetstreifen, in denen sie erstmals den Spin-Seebeck-Effekt beobachteten. Über dieses Phänomen, das eine enge Verwandtschaft zu dem seit fast 200 Jahren bekannten Seebeck-Effekt zeigt, berichten sie in der Zeitschrift "Nature".
"Der beobachtete Spin-Seebeck-Effekt ist direkt anwendbar für die Herstellung von Spinspannungs-Generatoren, die essentiell für den Betrieb von Spintronik-Module sind", schreibt Eiji Saitoh von der Keio Universität in Yokohama. Zusammen mit seinen Kollegen von der Tohoku Universität in Sendai und der Japanischen Agentur für Wissenschaft und Technologie in Tokio deponierte Saitoh eine nur 20 Nanometer dünne und sechs Millimeter lange Schicht aus einer Nickeleisen-Legierung (Ni81Fe19) auf einen Saphir-Träger. Diesen ferromagnetischen Dauermagneten hielten sie an einem Ende auf Raumtemperatur (300 K), während sie das andere Ende um bis zu 21 Grad erwärmten.
Schon diese geringe Temperaturdifferenz reichte aus, um einen Spinstrom zu erzeugen. Weil Elektronen mit verschiedenen Spins Unterschiede in ihrer chemischen, potenziellen Energie aufweisen, führte das Temperaturgefälle zu einer ungleichen Spinverteilung. Elektronen mit "Up"-Spin häuften sich am kälteren Ende des Magnetstreifens, "Down"-Spin-Elektronen dagegen am wärmeren. Saitoh veranschaulicht diesen Effekt analog zu der elektrischen Spannung in bekannten Thermoelementen als eine "Spin-Spannung". Diese treibt einen Strom von "Up"-Elektronen in die eine, und von "Down"-Elektronen in die andere Richtung an.
Um diese durch den Wärmegradienten verursachte Spin-Verteilung zu messen, kontaktierten die Physiker zwei dünne Platin-Drähte an den Magnetstreifen. Durch den Überschuss an "Up"-Elektronen am kälteren Ende fließt ein messbarer Spin-Strom in der Platinelektrode. Diese Ströme veränderten sich in Vergleichsexperimenten proportional zur Temperaturdifferenz.
"Mit diesem Spin-Seebeck-Effekt können große, kalibrierte Spinspannungs-Quellen produziert werden", schreibt N. Phuan Ong von der Princeton University in einem begleitenden Kommentar. Von großer Bedeutung für spintronische Schaltkreise sei dabei die Reichweite der Spinströme von mindestens sechs Millimetern. Bisher blieben Spinströme in Kupferdrähten nur über Distanzen von etwa 500 Nanometer stabil. Ong bewertet dieses Ergebnis als eine wichtige Erweiterung des Werkzeugskasten für Spintroniker. Auf dieser Basis könnten nicht nur schnelle und Energie sparende Schaltkreise entstehen, die digitale Daten mit Elektronenspins verarbeiten, auch hochempfindliche Temperatursonden und magnetische Datenspeicher, die über Spinströme kontrolliert werden, halten die Physiker nun für möglich.
Jan Oliver Löfken
Weitere Infos:
- Originalarbiet: K. Uchida et al., Observation of the spin Seebeck effect, Nature, 455, 778 (2008)
- Kommentar: N. P. Ong, Recipe for spin currents, Nature, 455, 741 (2008)
- Keio University, Yokohama:
http://www.keio.ac.jp/
Weiterführende Literatur:
- Gregg, J. F. in Spin Electronics (eds Ziese, M. & Thornton, M. J.) 3–31 (Springer, 2001).
- Hirsch, J. E. Phys. Rev. Lett. 83, 1834–1837 (1999).
- Valenzuela, S. O. & Tinkham, M. Nature 442, 176–179 (2006).
- Kimura, T., Otani, Y., Sato, T., Takahashi, S. & Maekawa, S. Phys. Rev. Lett. 98, 156601 (2007)
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