09.11.2015

Springende Silizium-Atome

Bislang unbekannte Eigenschaft von Halbleitern im Nanometer-Bereich entdeckt.

Silizium ist derzeit das für die Mikroelektronik am besten geeignete Grund­material: Es dient als Ausgangs­material für alle gängigen Computer­chips. Kristallines Silizium wird außerdem zunehmend für die Herstellung von TFT-Flach­bild­schirmen verwendet und findet darüber hinaus bei der Produktion von Photo­voltaik­anlagen Anwendung. Ein weiterer Halb­leiter ist das Element Germanium, das anfänglich das führende Material in der Elektronik darstellte, bis es vom Silizium verdrängt wurde. Vor wenigen Jahren wurde bekannt, dass ein­atomige Schichten aus Germanium Elektronen bis zu zehn Mal schneller als Silizium leiten. Dadurch könnte es als Halb­leiter­material erneut interessant werden.

Abb.: Halbleiteratome (wie Silizium- und Germaniumatome) werden im Nanometer-Bereich unter dem Einfluss von Metall (wie Aluminium) zu Sprüngen angeregt, und zwar sogar bei extrem niedrigen Temperaturen von -190 Grad Celsius. (Bild: Z. Wang, MPI-IS)

Sowohl Silizium als auch Germanium sind sehr hitze­beständig und schmelzen erst bei Temperaturen über neun­hundert Grad Celsius. Die Atome sind im festen Zustand gleich­mäßig in einem Kristall­gitter angeordnet und schwingen lediglich um ihren Standort. Bei steigenden Temperaturen werden die Schwingungen stärker, und auch Positions­veränderungen der Atome in Form von Sprüngen werden häufiger. Bei Raum­temperatur werden diese Atom-Sprünge hingegen kaum beobachtet.

Eric Jan Mittemeijer, Direktor am Max-Planck-Institut für Intelligente Systeme in Stuttgart, und seine Mitarbeiter haben nun entdeckt, dass Atom­sprünge in Silizium und Germanium überraschender­weise sogar bei äußerst niedrigen Temperaturen im Bereich von minus 190 Grad Celsius auftreten, sobald sie in extrem dünnen Schichten von bis zu einem Nano­meter mit dem Metall Aluminium in Berührung kommen.

Die Forscher versuchten, bei Temperaturen von minus 190 Grad Celsius eine Probe herzustellen, bei der eine einen Nano­meter dünne Schicht Germanium oder Silizium wie in einem Sandwich von zwei Aluminium-Schichten umschlossen sein sollte. Das Germanium oder Silizium wich jedoch während der Präparation immer wieder aus und hüpfte an die Ober­fläche der Aluminium-Schicht. Es war nicht möglich, die gewünschte Probe her­zustellen.

Die Wissenschaftler untersuchten daraufhin den Bindungs­zustand der Halb­leiter-Atome mithilfe von röntgen­spektroskopischen Messungen. Dabei stellten sie fest, dass bei extrem dünnen Schichten im Bereich von bis zu einem Nano­meter die starke Bindung zwischen den einzelnen Halb­leiter-Atomen aufgrund einer Wechsel­wirkung mit dem benachbarten Aluminium gelockert wird. Die Halb­leiter-Atome können häufiger und leichter springen. Aufgrund dieser Sprünge sind die Halb­leiter-Atome beweglich und verändern ihre Position: Sie springen an die Ober­fläche der Aluminium­schicht. Das benachbarte Aluminium löst diese Beweglichkeit aus und darf dabei nicht weiter entfernt sein als einen halben Nanometer.

Diese überraschende Beobachtung könnte zunehmend an Bedeutung gewinnen, da der Trend zu immer kleineren Halb­leiter-Bauelemente in Computern geht. Diese befinden sich bereits in einer Größen­ordnung von zehn bis vierzig Nano­metern, so dass an der Grenz­fläche von Halb­leiter zu Metallen Verschmierungen aufgrund von Atom-Sprüngen entstehen können. Interessant ist die Entdeckung des Phänomens auch für die Herstellung von Dünn­schicht­präparaten auf hitze­empfindlichen Materialien, da der Halb­leiter sogar bei sehr niedrigen Temperaturen zur Beweg­lichkeit angeregt werden kann.

MPG / RK

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