23.10.2017

Stabiler Memristor aus organischen Molekülen

Mögliche Alternative zu Flash-Speichern hält bis zu einer Billion Schreibzyklen stand.

Memristoren verändern abhängig von Schalt­spannungen ihren elektrischen Widerstand und werden bereits als zusätzliche elektronische Elemente für neue, komplexe Schaltkreise angesehen. Der allererste Memristor wurde erst vor zehn Jahren im Forschungs­zentrum von Hewlett-Packard in Palo Alto realisiert, weitere Prototypen aus Metalloxiden oder zwei­dimensionalen Materialien folgten. Und selbst organische Molekül­komplexe eignen sich für den Bau von potenziell sehr günstigen Memristor-Arealen. Eine internationale Forschergruppe um Venky Venkatesan von der National University of Singapore löste nun zentrale Probleme zur Stabilität, Höhe der Schaltspannungen und Geschwindigkeit. Ihre Prototypen auf der Basis von dünnen, organischen Filmen legen die Basis nicht nur für komplexe, neuromorphe Schalt­kreise, sondern auch für sehr effiziente, nicht­flüchtige Daten­speicher.

Abb.: Schematischer Aufbau eines Memristors aus einer dünnen Schicht organischer Ruthenium-Komplexe. (Bild: Yale Univ. / NUS / NPG)

„Dünne Filme aus Ruthenium-Komplexen eignen sich für resistive Speicher oder Memristoren, die sich merken können, wenn sie von elektrischer Ladungen durchdrungen wurden“, sagt Victor Batista von der Yale University in New Haven, der an der Entwicklung beteiligt war. Für ihre ersten Prototypen verteilten die Forscher eine flüssige Lösung der Ruthenium­komplexe mit einem Spin-Coating-Verfahren auf einer Elektrode aus Indium­zinnoxid (ITO). Jeder Komplex bestand aus einem zentralen Rutheniumatom, an dem Liganden aus einer aromatischen Verbindung (Phenyloazo­pyridin) angedockt waren. Auf den 10 bis 100 Nanometer dünnen, organischen Film fügten sie über eine gepulste Laser­deposition eine weitere ITO-Elektrode hinzu. Für eine bessere Leit­fähigkeit reicherten sie die ITO-Elektroden mit Nano­partikeln aus Gold an.

Punktgenau konnten an diese organischen Memristoren Schalt­spannungen angelegt werden, um die elektronischen Eigenschaften näher zu bestimmen. Im Unterschied zu früheren Speicherzellen aus organischen Materialien reichten Pulse von weniger als einem Volt Spannung aus, um die Verteilung elektrischer Ladungen und den elektrischen Widerstand der Ruthenium­schicht gezielt zu verändern. Dieser Prozess ließ sich mit erneuten Spannungs­pulsen umgekehrter Polung umkehren und zeigte ein On-Off-Verhältnis von knapp 105. Mit nur etwa 30 Nanosekunden liefen die Schaltprozesse sehr schnell ab und konnten bis zu eine Billion Mal wiederholt werden. Die nötige Energie für jeden Schaltvorgang bestimmten die Forscher auf gerade mal anderthalb Femtojoule. Das ist ein extrem geringer Wert, der in Zukunft hocheffiziente, Strom sparende Speichermodule möglich erscheinen lässt.

Abb.: Molekülstruktur der Ruthenium-Komplexe, die extrem effiziente Datenspeicher ermöglichen könnten. (Bild: Yale Univ. / NUS)

Mit UV-, Nahinfrarot (NIR)- und Raman-Spektroskopie gingen Batista und Kollegen den Ursachen für die heraus­ragenden Schalt- und Speicher­eigenschaften der Ruthenium­komplexe auf den Grund. Sie entdeckten, dass die schaltenden Spannungspulse Redox-Prozesse auslösten, bei denen die Ruthenium­komplexe zwischen zwei verschiedenen, stabilen Zuständen mit unterschiedlichen elektrischen Widerständen wechselten. Dabei lagen die organischen Liganden im Ruthenium-Komplex mal in neutraler Form, mal um ein bis zwei Elektronen reduziert vor. Diese Redox-Zustände waren direkt korreliert mit verschiedenen Werten für die elektrische Leitfähigkeit. Allein die große Stabilität beider Zustände konnten die Wissenschaftler bisher nicht im Details erklären. Doch sie vermuten, dass mögliche Positions­änderungen von ladungs­tragenden Molekül­gruppen dafür verantwortlich waren.

Diese Arbeit zeigt, dass Memristoren aus organischen Substanzen vergleichbare Stabilität und Schalt­eigenschaften zeigen wie Prototypen aus anorganischen Materialien. Zusätzlich bieten sie jedoch den Vorteil für günstige Produktions­prozesse, in denen flüssige Lösungen in dünnen Schichten aufgetragen werden. Auch für die Entwicklung von intelligenten medizinischen Implantaten könnten von Interesse sein, da eine Bio­kompatibilität für Elektronik-Zelle-Schnittstellen wahrscheinlich eher erreichbar wäre als mit anorganischen Elektronik­modulen.

Batista und Kollegen halten ihre Prototypen aber nicht nur für zukünftige Memristor-Schaltkreise geeignet. Auch nicht­flüchtige Datenspeicher – analog zu Speicher­karten in Kameras oder Festkörper­speichern (SSD) in Laptops – könnten von diesem Ansatz organischer Elektronik profitieren. „Speicher aus dünnen, organischen Filmen könnten herkömmliche Festkörper­speicher ersetzen“, sagt Batista. Denn die Speicherzellen lassen sich prinzipiell eine Million Mal öfters beschreiben, benötigen dazu deutlich weniger Strom und könnten sogar noch kleiner und kompakter angeordnet werden. Da die Forscher bisher nur einzelne Speicherzellen gefertigt haben, ist der Weg zu einer organischen Speicherkarte mit Abermilliarden Speicher­zellen allerdings noch weit.

Jan Oliver Löfken

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