17.05.2016

Stärker als gedacht

Erstmals Van-der-Waals-Wechselwirkungen zwischen einzelnen Atomen bestimmt.

Physikern des Swiss Nanoscience Institutes und der Universität Basel ist es erstmals gelungen, die sehr schwachen Van-der-Waals-Kräfte zwischen einzelnen Atomen zu messen. Dazu fixierten sie einzelne Edel­gas­atome in einem molekularen Netzwerk und ermittelten die Wechsel­wirkungen mit einem einzelnen Xenonatom, das sie an der Spitze eines Rasterkraft­mikroskops positioniert hatten. Die Kräfte waren wie erwartet abhängig vom Abstand der beiden Atome, jedoch teilweise deutlich größer als theoretisch berechnet.

Abb.: Mithilfe eines Tieftemperatur-Rasterkraftmikroskop mit einem einzelnen Xenonatom an der Spitze haben die Forscher Van-der-Waals-Wechselwirkungen ausgemessen. (Bild: U. Basel)

Van-der-Waals-Kräfte wirken zwischen unpolaren Atomen und Molekülen. Obwohl sie im Vergleich zu chemischen Bindungen sehr schwach sind, spielen sie in der Natur eine große Rolle. Sie sind wichtig für alle Prozesse, die mit Haftung, Adhäsion, Reibung oder Kondensation zu tun haben und sind beispielsweise ausschlaggebend für die Kletterkünste von Geckos.

Van-der-Waals-Wechselwirkungen entstehen durch eine temporäre Umverteilung von Elektronen in den Atomen und Molekülen. Es kommt dadurch zur zeitweisen Bildung von Dipolen, die wiederum eine Um­verteilung von Elektronen in eng benachbarten Molekülen hervorrufen. Zwischen den Molekülen kommt es durch die Bildung der Dipole zu einer Anziehung, der Van-der-Waals-Wechsel­wirkung. Sie existiert nur temporär, bildet sich aber immer wieder neu. Die einzelnen Kräfte sind die schwächsten Bindungs­kräfte, die es in der Natur gibt. Die Kräfte summieren sich aber und erreichen so auf einer makro­skopischen Skala Größen, die wir – wie beim Beispiel vom Gecko – sehr deutlich wahrnehmen können.

Um die Van-der-Waals-Kräfte zu messen, nutzten die Wissenschaftler aus Basel ein Tief­temperatur-Rasterkraft­mikroskop mit einem einzelnen Xenon­atom an der Spitze. Sie fixierten dann einzelne Argon-, Krypton- und Xenon-Atome in einem molekularen Netz­werk. Dieses Netzwerk, das sich unter bestimmten Versuchs­bedingungen selbst organisiert, enthält Nanom­essbecher aus Kupfer­atomen, in denen die Edel­gas­atome festgehalten werden. Mit diesem Versuchs­aufbau ist es möglich, die winzigen Kräfte zwischen Mikroskop­spitze und Edelgas­atom zu messen, da die Edelgas­atome auf einer reinen Metall­oberfläche hin und her gleiten würden.

Die gemessenen Kräfte haben die Forscher mit rechnerisch ermittelten Werten verglichen. Wie nach der Theorie erwartet, nahmen die gemessenen Kräfte mit zunehmendem Abstand der Atome voneinander drastisch ab. Während der Kurven­verlauf von Messung und Rechnung für alle untersuchten Edel­gase gut übereinstimmte, waren die absoluten gemessenen Kräfte jedoch größer als nach dem Standard­modell rechnerisch erwartet worden war. Vor allem für Xenon waren die gemessenen Kräfte bis zu doppelt so groß als die rechnerisch ermittelten Werten.

Die Wissenschaftler nehmen an, dass es auch bei den Edelgasen zu einem Austausch von Elektronen und damit hin und wieder zur Ausbildung von schwachen, kovalenten Bindungen kommt, was die höheren Werte erklären würde.

Das internationale Wissenschaftlerteam aus der Schweiz, Japan, Finnland, Schweden und Deutschland hat mit dem vorgestellten Set-up die kleinsten je ermittelten Kräfte zwischen einzelnen Atomen experimentell gemessen. Die Forscher haben damit gezeigt, dass sie mit der vor genau dreißig Jahren entwickelten Raster­kraft­mikroskopie immer noch in neue Bereiche vorstoßen können.

U. Basel / DE

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