26.10.2011

Stahl für Undulatoren: Bei extremer Kälte dem Magnetfeld widerstehen

Forscher finden als Ersatz für Titan hochfesten Stahl mit sehr geringer Magnetisierbarkeit bei extrem tiefen Temperaturen.

Abb.: Veränderung des Gefüges mit steigender Kaltverfestigung (500-fache Vergrößerung). Die schwarzen
Pünktchen sind Verunreinigungen im Material. Mit steigendem Umformgrad verformen sich die
einzelnen Körner zunehmend und es bilden sich  Verformungszwillingslinien aus. Umformgrad = 0 (oben), 0,11 (Mitte), 0,21 (unten; Bild: RUB)

Die Befestigungen starker Magnete im Elektronenspeicherring Bessy-II in Berlin bestehen heute aus Titanlegierungen. Ihre Festigkeit ist extrem hoch und ihre Wechselwirkung mit Magnetfeldern ist auch bei tiefen Temperaturen gering – leider sind sie aber auch sehr teuer. Bochumer Forscher machten sich deshalb gemeinsam mit dem Helmholtz-Zentrum Berlin, auf die Suche nach günstigeren Werkstoffen mit vergleichbaren Eigenschaften.

Undulatoren in Synchrotron-Speicherringen wie Bessy-II sind im Wesentlichen eine Anordnung zweier Magnetreihen, die  übereinander liegen und sich hydraulisch gegeneinander verstellen lassen. Aufgrund der Stärke des Magnetfeldes wirken enorme Kräfte von mehreren Tonnen auf die gesamte Konstruktion und anteilig natürlich auch auf jeden einzelnen Magneten und dessen Befestigungen. Diese Kräfte muss das Befestigungssystem, in diesem Fall einer Verschraubung mit Fixierelementen, aufnehmen.

Die Anforderungen an die mechanische Festigkeit des gesuchten Werkstoffs für die Befestigungsbauteile sind also sehr hoch. Da Undulatoren hochpräzise elektromagnetische Bauteile sind, stören alle magnetischen Felder, die durch die verwendeten Konstruktionswerkstoffe erzeugt werden, erheblich. Der gesuchte Werkstoff muss also zusätzlich zu seiner Festigkeit möglichst wenig durch Magnetfelder beeinflussbar sein und darf nicht selbst noch zu ihnen beitragen. Der geforderte Wert der Suszeptibilität liegt bei maximal 0,004. Darüber hinaus liegt die Betriebstemperatur bei minus 196 oder minus 269 Grad, je nachdem, ob mit flüssigem Stickstoff oder Helium gekühlt wird, um die Brillanz der damit erzeugten Strahlung zu erhöhen.

Die Suche begann bei einem Werkstoff, der einem im Alltag ständig begegnet: „Edelstahl Rostfrei“. Doch ein Stahl ist nicht gleich dem anderen: Stähle lassen sich in vier Gruppen unterteilen: die ferritischen, die austenitischen, die martensitischen und die Duplex-Stähle. Die ersten beiden sind im Alltag am häufigsten anzutreffen. Sie unterscheiden sich in ihrem inneren Aufbau. Genauso wie zum Beispiel Salz aus Kristallen besteht, besitzen auch Metalle einen kristallinen Aufbau. Die Struktur von ferritischen Stählen ist „kubisch raumzentriert“, die von austenitischen „kubisch flächenzentriert“. Mit der unterschiedlichen Kristallstruktur sowie mit der Temperatur hängen bei Eisenbasiswerkstoffen wiederum unterschiedliche magnetische Eigenschaften zusammen.

Im Falle bestimmter austenitischer Stähle, die bei Raumtemperatur paramagnetisch sind, liegt unterhalb der Néel-Temperatur Antiferromagnetismus vor. Sie sind also nicht magnetisierbar sind und weisen eine geringe magnetische Suszeptibilität auf. Die  Festigkeit eines typischen Austenits ist jedoch zu gering. Die Lösung für die Festigkeit lautet „Kaltverfestigung“, eine lokal erhöhte Versetzungsdichte eindimensionaler Gitterdefekte, die bei der plastischen Verformung von Metallen entstehen. Aus dieser Gruppe der nicht-magnetisierbaren Stähle haben wir einen mit mehr als 45% Legierungselementen  vergleichsweise hoch legierten Stahl ausgewählt (Werkstoffnummer 1.3964 gemäß DIN EN 10027). Das bearbeitete Material verhält sich bis zu einer Néel-Temperatur von minus 210 Grad paramagnetisch, darunter antiferromagnetisch. Für die Anwendung in Undulatoren ist dies ein positives Ergebnis.

Die Kosten für die Befestigungsbauteile aus Stahl betragen nur ein Drittel derer von vergleichbaren Titanbauteilen. Dies zeigt das große Einsparungspotential, das in der Verwendung von austenitischen Stählen im Undulatorbau steckt.

S. Weber / RUB / OD


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