29.03.2021

Starkwind auf Jupiter

Erstmals gelingt die Beobachtung von Stratosphärenjets auf dem Gasriesen.

Mit dem Atacama Large Millimeter/submillimeter Array (ALMA), an dem die Europäische Süd­sternwarte (ESO) beteiligt ist, hat ein Team von Astronomen zum ersten Mal die Winde in der mittleren Atmosphäre des Jupiters direkt gemessen. Durch die Analyse der Nachwirkungen eines Kometen­einschlags aus den 1990er Jahren haben die Forscher unglaublich starke Winde mit einzigartigen Geschwindig­keiten von bis zu 1450 Kilometern pro Stunde in der Nähe der Pole des Jupiters entdeckt. 
 

Abb.: Darstellung der strato­sphärischen Winde in der Nähe des...
Abb.: Darstellung der strato­sphärischen Winde in der Nähe des Jupiter­südpols (Bild: ESO / L. Calçada / NASA / JPL-Caltech / SwRI / MSSS)

Jupiter ist berühmt für seine charakteristischen roten und weißen Bänder: wirbelnde Wolken aus sich bewegendem Gas, die Astronomen traditionell nutzen, um die Winde in Jupiters unterer Atmosphäre zu verfolgen. Astronomen haben in der Nähe der Pole des Jupiters auch das lebhafte Leuchten gesehen, das als Aurora bekannt ist und mit starken Winden in der oberen Atmosphäre des Planeten in Verbindung zu stehen scheint. Aber bis jetzt war es nicht möglich, die Windmuster zwischen diesen beiden Atmosphären­schichten, in der Stratosphäre, direkt zu messen.

Die Messung von Wind­geschwindigkeiten in der Stratosphäre des Jupiters mit Methoden der Wolken­verfolgung ist unmöglich, da es in diesem Teil der Atmosphäre keine Wolken gibt. Eine alternative Mess­möglichkeit erhielten die Astronomen jedoch durch den Kometen Shoemaker-Levy 9, der 1994 auf spektakuläre Weise mit dem Gasriesen kollidierte. Bei diesem Einschlag entstanden neue Moleküle in der Stratosphäre des Jupiters, die sich seither mit den Winden bewegen.

Ein Team von Astronomen unter der Leitung von Thibault Cavalié vom Laboratoire d‘Astrophysique de Bordeaux in Frankreich hat nun eines dieser Moleküle – Cyan­wasserstoff (Blausäure) – aufgespürt und die stratosphärischen „Jets“ auf dem Jupiter direkt gemessen. Mit dem Wort „Jets“ bezeichnen Wissenschaftler schmale Wind­bänder in der Atmosphäre, ähnlich wie die Jetstreams auf der Erde.

„Das spektakulärste Ergebnis ist das Auftreten von starken Jets mit Geschwindigkeiten von bis zu 400 Metern pro Sekunde, die sich unter den Polarlichtern in der Nähe der Pole befinden“, sagt Cavalié. Diese Wind­geschwindigkeiten, die etwa 1450 Kilometern pro Stunde entsprechen, sind mehr als das Doppelte der maximalen Sturm­geschwindigkeiten, die in Jupiters Großem Roten Fleck erreicht werden, und mehr als das Dreifache der Wind­geschwindigkeit, die bei den stärksten Tornados auf der Erde gemessen wird.

„Unsere Entdeckung deutet darauf hin, dass sich diese Jets wie ein riesiger Wirbel verhalten könnten, der einen Durchmesser von bis zu viermal so groß wie der der Erde hat und etwa 900 Kilometer hoch ist“, erklärt Co-Autor Bilal Benmahi, ebenfalls vom Laboratoire d'Astrophysique de Bordeaux. „Ein Wirbel dieser Größe wäre ein einzig­artiges meteorologisches Ungetüm in unserem Sonnensystem“, ergänzt Cavalié.

Astronomen wussten von starken Winden in der Nähe der Pole des Jupiters, aber viel höher in der Atmosphäre, Hunderte von Kilometern über dem Untersuchungs­gebiet der neuen Studie. Frühere Studien sagten voraus, dass diese Winde in der oberen Atmosphäre an Geschwindigkeit verlieren und verschwinden würden, bevor sie in die Tiefe der Stratosphäre gelangen. „Die neuen ALMA-Daten sagen uns das Gegenteil“, sagt Cavalié und fügt hinzu, dass die Entdeckung dieser starken Stratosphären­winde in der Nähe von Jupiters Polen eine „echte Überraschung“ war.

Das Team nutzte 42 der 66 hochpräzisen ALMA-Antennen, die sich in der Atacama-Wüste im Norden Chiles befinden, um die Blausäuremoleküle zu analysieren, die seit dem Einschlag von Shoemaker-Levy 9 in der Stratosphäre des Jupiters umherziehen. Mit den ALMA-Daten gelang es ihnen, die Doppler-Verschiebung zu messen, die durch die Winde in dieser Region des Planeten verursacht wird. Neben den überraschenden Polarwinden bestätigte das Team mit ALMA auch die Existenz starker strato­sphärischer Winde rund um den Äquator des Planeten, indem es – ebenfalls zum ersten Mal – deren Geschwindigkeit direkt maß. Die in diesem Teil des Planeten entdeckten Jets haben Durchschnitts­geschwindigkeiten von etwa 600 Kilometern pro Stunde.

Die ALMA-Beobachtungen, die erforderlich waren, um die strato­sphärischen Winde sowohl an den Polen als auch am Äquator des Jupiters zu verfolgen, nahmen weniger als dreißig Minuten Teleskop­zeit in Anspruch. „Die hohe Detail­genauigkeit, die wir in dieser kurzen Zeit erreicht haben, zeigt deutlich die Leistungsfähigkeit der ALMA-Beobachtungen“, sagt Thomas Greathouse, Wissenschaftler am Southwest Research Institute in den USA und Mitautor der Studie. „Ich bin erstaunt über die erste direkte Messung dieser Winde.“

„Diese ALMA-Ergebnisse öffnen ein neues Fenster für die Erforschung von Jupiters Polarlichtregionen, was noch vor ein paar Monaten völlig unerwartet war“, sagt Cavalié. „Sie schaffen auch die Voraus­setzungen für ähnliche, noch umfang­reichere Messungen, die von der Juice-Mission und ihrem Submillimeterwellen-Instrument durchgeführt werden sollen“, fügt Greathouse hinzu und bezieht sich dabei auf den Jupiter Icy moons Explorer der Europäischen Weltraumorganisation, der voraus­sichtlich im nächsten Jahr ins All starten wird.

Das bodengestützte Extremely Large Telescope (ELT) der ESO, das später in diesem Jahrzehnt das erste Licht sehen soll, wird ebenfalls den Jupiter erforschen. Das Teleskop wird in der Lage sein, hochdetaillierte Beobachtungen der Polarlichter des Planeten vorzunehmen, die uns weitere Einblicke in die Jupiter­atmosphäre geben.

MPIA / DE
 

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